Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 13/21 R

Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung - psychiatrische Institutsambulanz (PIA) - Außenstelle - Krankenhausplan

Verhandlungstermin 29.06.2022 11:00 Uhr

Terminvorschau

A. Krankenhausgesellschaft H. mbH ./. Berufungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein, 7 Beigeladene
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Ermächtigung zum Betrieb einer räumlich und organisatorisch nicht an ein Krankenhaus angebundenen psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) voraussetzt, dass der Standort im Krankenhausplan ausgewiesen ist.

Die klagende Krankenhausträgerin betreibt in Schleswig-Holstein ua psychiatrische Kliniken mit Standorten in N, E und L; der Standort R ist dagegen für sie im Krankenhausplan nicht erfasst. Der Antrag der Klägerin, ihr die Ermächtigung zum Betrieb einer PIA als Außenstelle des Klinikums L in R zu erteilen, blieb ohne Erfolg. Der beklagte Berufungsausschuss führte aus, eine Ermächtigung könne nur erteilt werden, wenn an dem Standort der PIA eine Außenstelle des Krankenhauses im Krankenhausplan ausgewiesen sei. Das ergebe sich aus der Regelung in § 108 SGB V sowie dem Sinn und Zweck der Krankenhausplanung, weil nur so eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten sei.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat den angegriffenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags der Klägerin verurteilt. Nach § 118 Abs 4 SGB V könne eine psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung durch eine PIA auch dann erfolgen, wenn die Einrichtung nicht räumlich und organisatorisch an das betreibende Krankenhaus angebunden sei. Der Wortlaut der Vorschrift setze dagegen nicht voraus, dass der Krankenhausplan des Landes an dem Standort der noch zu errichtenden PIA eine Außenstelle für eines der Krankenhäuser der Klägerin aufweise. Ein solches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal lasse sich weder der Gesetzeshistorie oder -systematik noch dem Sinn und Zweck der Regelung entnehmen. Insbesondere verbleibe kein sinnvoller Anwendungsbereich mehr für die Regelung, wenn nur Fälle erfasst wären, in denen eine PIA nicht unmittelbar auf dem Klinikgelände realisiert werden könne. Auch erschließe sich nicht, aus welchen Gründen die beantragte Ermächtigung eine Bedarfsprüfung voraussetze, während dem Krankenhaus im selben Ort ohne Bedarfsprüfung eine Ermächtigung für eine PIA auf dem Klinikgelände nach § 118 Abs 1 SGB V zu erteilen wäre.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision und macht eine Verletzung des § 118 Abs 4 SGB V geltend. Die Vorschrift setze voraus, dass eine Außenstelle des Krankenhauses bereits existiere, in der Krankenhausleistungen angeboten werden. Sie ermächtige hingegen nicht ausschließlich zur Errichtung bzw zum Betrieb einer PIA für ambulante Leistungen. Dies widerspräche auch dem Sinn und Zweck der Regelung, die darauf abziele, die Strukturen der stationären Versorgung für die ambulante Versorgung bestimmter schwer psychisch erkrankter Patientengruppen zugänglich zu machen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Kiel - S 2 KA 41/19, 04.03.2020
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 4 KA 3/20, 01.06.2021

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Terminbericht

Die Revision des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat den beklagten Berufungsausschuss revisionsrechtlich beanstandungsfrei zur Neubescheidung über den Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Ermächtigung für eine psychiatrische Institutsambulanz nach § 118 Abs 4 SGB V am Standort in R verurteilt. Die Erteilung einer solchen Ermächtigung konnte nicht von vornherein mit dem Argument verneint werden, dass am Ort der geplanten Institutsambulanz für die Klägerin kein Standort im Krankenhausplan ausgewiesen ist. Ob die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der Ermächtigung hat, insbesondere ob ein Versorgungsbedarf besteht, wird der Beklagte nun zu prüfen und zu entscheiden haben.

Rechtliche Anknüpfungspunkte dafür, dass die beantragte Ermächtigung von einer im Krankenhausplan ausgewiesenen Außenstelle des Krankenhauses abhängen könnte, lassen sich weder dem bundesrechtlichen Krankenhausfinanzierungsgesetz noch den landesrechtlichen Vorschriften der Krankenhausplanung entnehmen. Ein solches ungeschriebenes Erfordernis folgt auch nicht aus der Auslegung von § 118 Abs 4 SGB V. Danach kann ein psychiatrisches Krankenhaus auch dann zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen sein, wenn der ambulante Versorgungsbedarf von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen “durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser“ sichergestellt wird. Damit setzt der Wortlaut der Vorschrift die fehlende räumliche und organisatorische Anbindung an das Krankenhaus sogar voraus. Aus der Gesetzesentwicklung ergibt sich, dass - bei entsprechendem Versorgungsbedarf - die Versorgung von Versicherten mit schweren psychischen Erkrankung um ein wohnortnäheres ambulantes Angebot in dezentralen Institutsambulanzen von Krankenhäusern ergänzt werden sollte. Mit der Einführung von räumlich und organisatorisch nicht an ein Krankenhaus angebundenen ambulanten psychiatrischen Institutsambulanzen durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz im Jahre 2015 sollte eine Erleichterung der Versorgungssituation psychisch schwer erkrankter Versicherter, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, erreicht werden. Diesem Gesetzesziel widerspräche es, weitere organisatorische oder krankenhausplanungsrechtliche Anforderungen in die Norm hineinzulesen, wie etwa die Ausweisung eines Standortes im Krankenhausplan als Voraussetzung der Institutsermächtigung nach § 118 Abs 4 SGB V.

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