Verhandlung B 9 SB 5/20 R
Schwerbehindertenrecht - Verwaltungsverfahren - Zurückweisung - Bevollmächtigter - Rentenberater
Verhandlungstermin
25.08.2022 13:30 Uhr
Terminvorschau
S. ./. Land Baden-Württemberg
Streitig ist die Zurückweisung des Klägers, eines Rentenberaters, als Bevollmächtigter in einem Verwaltungsverfahren über die Neufeststellung des Grads der Behinderung (GdB) und die Zuerkennung von Merkzeichen.
Dem Kläger wurde mit Verfügung des Präsidenten des LG Konstanz vom 26.6.2003 die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung als Rentenberater unter anderem für das Rechtsgebiet "Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung" erteilt, die 2008 noch erweitert wurde. Auf seinen Antrag hin erfolgte 2009 eine Registrierung nach dem inzwischen geltenden Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) als Alterlaubnisinhaber für den Bereich Rentenberatung. 2012 beantragte er die Registrierung zu korrigieren, woraufhin seine "Grunderlaubnis" als Alterlaubnisinhaber "vorsorglich auch im Bereich der registrierten Erlaubnisinhaber erfasst" wurde. Ausgewiesen im Rechtsdienstleistungsregister ist nunmehr unter anderem "Rechtsberatung als Rentenberater für folgende Rechtsgebiete: … Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX)".
2017 beantragte der Kläger beim zuständigen Landratsamt für eine Mandantin die Neufeststellung des GdB sowie die Zuerkennung von Merkzeichen. Noch vor Bescheidung des Antrags wies das Landratsamt den Kläger als Bevollmächtigten zurück.
Das SG hat auf die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers festgestellt, dass dessen Zurückweisung als Bevollmächtigter in der Schwerbehindertenangelegenheit rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund seiner "Alterlaubnis" dürfe er auch ohne Bezug zu einer gesetzlichen Rente auf dem Gebiet des Schwerbehindertenrechts tätig sein. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil eine Erlaubnis nur zur Rentenberatung erteilt worden sei. Deshalb sei auch für Alterlaubnisinhaber ein Rentenbezug erforderlich.
Mit seiner Revision rügt der Kläger, dass die ihm unter Geltung des RBerG erteilte und nach § 1 Abs 3 RDGEG registrierte Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen sich gemäß der damaligen Zulassungspraxis auch auf das Gebiet des Schwerbehindertenrechts erstrecke, ohne dass ein konkreter Bezug zu einer gesetzlichen Rente notwendig sei.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Reutlingen - S 6 SB 3031/17, 25.01.2019
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 6 SB 939/19, 23.01.2020
Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 32/22.
Terminbericht
Die Revision des Klägers war erfolgreich. Der Beklagte war nach dem konkreten Stand des Verwaltungsverfahrens über den Neufeststellungsantrag nicht berechtigt, den Kläger als Bevollmächtigten zurückzuweisen.
Allein die Beantragung der Neufeststellung des GdB und der Zuerkennung der Voraussetzungen von Merkzeichen stellt, wie es der Senat bereits für eine Erstantragstellung entschieden hat, noch keine Rechtsdienstleistung dar. Eine Rechtsdienstleistung ist nach der Legaldefinition in § 2 Abs 1 RDG nur eine Tätigkeit, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Ebenso wie eine Erstantragstellung erschöpft sich ein Neufeststellungsantrag im Ausfüllen des vorgegebenen Formulars, worin insbesondere Angaben zu Gesundheitsstörungen sowie den behandelnden Ärzten zu machen und dem vorhandene Befundunterlagen beizufügen sind. Zudem muss ein Antragsteller die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Hierbei handelt es sich um einfache Willenserklärungen und tatsächliche Angaben, die noch keine juristischen Kenntnisse oder rechtliche Prüfung erfordern. Es obliegt der Verwaltung, den Antrag unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips rechtlich einzuordnen und die Mitteilungen im Antrag auszuwerten. Erst dies erfordert Kenntnisse des SGB IX und der dazu ergangenen Rechtsprechung sowie Erfahrungen im Umgang mit dem Verwaltungsverfahrensrecht. Hingegen setzt die bloße Antragstellung noch keine rechtliche Subsumtion der Umstände des Einzelfalls, insbesondere nicht unter die Voraussetzungen der §§ 44 ff SGB X voraus. Zwar steht es einem Antragsteller frei, vor Antragstellung eine solche rechtliche Prüfung selbst durchzuführen oder von einer anderen Person vornehmen zu lassen. Rechtlich oder tatsächlich notwendig ist sie für die Antragstellung als solche aber nicht.
Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 32/22.