Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 34/21 R

Arbeitslosenversicherung - Arbeitslosengeld - Grenzgänger - fiktiver Lohnsteuerabzug

Verhandlungstermin 22.09.2022 11:30 Uhr

Terminvorschau

C. V. ./. Bundesagentur für Arbeit
Die in Frankreich wohnende Klägerin war in Deutschland beschäftigt. Sie kehrte arbeitstäglich zu ihrem Wohnort zurück. Die Klägerin gab diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf, der Arbeitsvertrag bestand jedoch fort. Auf die Arbeitslosmeldung in Deutschland bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld, bei dessen Bemessung sie fiktive Abzüge wegen Lohnsteuer berücksichtigte. Dagegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, sie sei aufgrund ihres Wohnsitzes in Frankreich nicht in Deutschland steuerpflichtig und deswegen dürfe zur Vermeidung einer unzulässigen Doppelbesteuerung bei der Berechnung des Arbeitslosengelds kein Steuerabzug berücksichtigt werden.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Wegen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses der Klägerin sei die Leistungszuständigkeit der Beklagten trotz des Wohnsitzes der Klägerin in Frankreich nach Art 65 Abs 1 VO (EG) 883/2004 gegeben. Der Abzug für Lohnsteuer sei auch dann vorzunehmen, wenn für das der Bemessung des Arbeitslosengelds zugrundeliegende Arbeitsentgelt keine Lohnsteuer abzuführen gewesen sei, denn die Berechnung des Arbeitslosengelds habe für alle Bezugsberechtigten in Deutschland unabhängig von Staatsangehörigkeit und Wohnsitz zu erfolgen.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 153 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III. Der fiktive Abzug von Steuern stelle zudem eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung von Grenzgängern dar.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Freiburg - S 8 AL 2955/18, 26.08.2019
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 AL 3398/19, 23.07.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 34/22.

Terminbericht

Der Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Klägerin unterfällt der Zuständigkeit des früheren Beschäftigungsstaats Deutschland, weil ein sonstiger vorübergehender Arbeitsausfall iS der VO (EG) 883/2004 und noch keine "Vollarbeitslosigkeit" vorliegt. Sie wurde gesundheitsbedingt zwar nicht weiter beschäftigt, doch bestand ihr Arbeitsverhältnis fort, was ausreicht.

Mangels ausreichender Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen der pauschalierten Abzüge vom Bemessungsentgelt vermag der Senat indessen nicht abschließend zu entscheiden, ob der Klägerin höheres Arbeitslosengeld zusteht. Das LSG hat keine Ermittlungen dazu angestellt, ob sie als echte Grenzgängerin nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Frankreich von der Besteuerung in Deutschland freigestellt war. Darauf kommt es aber an. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (Urteil des Senats vom 3.11.2021 - B 11 AL 6/21 R) fest, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck von § 153 SGB III bei einer Freistellung von der Steuerpflicht in Deutschland als Grenzgänger nach einem DBA keine zu berücksichtigende Lohnsteuerklasse als Lohnsteuerabzugsmerkmal bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen ist. Vorschriften des EStG oder der AO stellen dies nicht infrage.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 34/22.

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