Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 5/22 R

Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau - Sozialwahl 2017 - Unfallversicherung - Vertreterversammlung - Gültigkeit

Verhandlungstermin 13.10.2022 11:00 Uhr

Terminvorschau

Dt.J.e.V., Bay.J.e.V., F.v.M., E.P.,J.S. ./. SVLFG
Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Jahr 2017 durchgeführte Sozialwahl zur Vertreterver­sammlung der Beklagten in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte fehlerhaft ausschließlich im Zweig der landwirtschaftlichen Unfallversicherung durchgeführt wurde und wiederholt werden muss.

Die Kläger zu 1 und 2 sind Verbände, deren Mitglieder überwiegend Vereinigungen von Jägern sind. Sie reichten eine gemeinsame Vorschlagsliste für die Wahl der Vertreterversammlung in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte mit dem Kennwort "Jagd" ein. Der Kläger zu 3 wurde als Listenvertreter benannt. Die Kläger zu 4 und 5 kandidierten auf den Listenplätzen 2 und 3 dieser Liste. Der Wahlausschuss ließ die Liste als sog freie Liste zu und änderte das Kennwort unter Verwendung der Namen der Vorgeschlagenen in "Freie Liste J., P., Sch., W., R.". Die Beschwerde wies der Bundeswahlausschuss zurück. Die Kläger zu 1 und 2 seien keine vorschlagsberechtigten berufsständischen Vereinigungen der Landwirtschaft. Die Beklagte übersandte vor der Wahl Anträge auf Wahlausweise an die in ihrem Mitgliederverzeichnis eingetragenen Unternehmer mit der Bitte, diese für nicht im Unternehmensverzeichnis geführte wahlberechtigte Mitunternehmer ausfüllen und die Wahlberechtigung durch Übersendung entsprechender Unterlagen belegen zu lassen. Bei der Wahl der Vertreterversammlung in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte erhielt die Freie Liste ein Mandat.

Das SG hat die Wahlanfechtungsklage abgewiesen. Die Wahl zur Vertreterversammlung in der Gruppe der Selbständigen ohne fremde Arbeitskräfte ausschließlich im Zweig der landwirtschaftlichen Unfallversicherung verletze keine bundesrechtlichen Wahlvorschriften. Der Wahlausschuss sei nicht fehlerhaft besetzt gewesen. Auch habe er das Unterschriftenquorum richtig festgesetzt. Zutreffend habe der Wahlausschuss die Liste mit dem Kennwort “Jagd“ lediglich als sog freie Liste unter Verwendung der Namen der Vorgeschlagenen zugelassen. Die Kläger zu 1 und 2 seien keine berufsständischen Personenvereinigungen oder Verbände der Landwirtschaft. Hinsichtlich der weiteren Durchführung der Wahl seien ebenfalls keine mandatsrelevanten Wahlfehler festzustellen.

Das LSG hat auf die Berufung der Kläger festgestellt, dass die im Jahr 2017 in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte durchgeführte Wahl zur Vertreterversammlung der Beklagten ungültig ist und wiederholt werden muss. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, mit der auf die landwirtschaftliche Unfallversicherung beschränkten Durchführung der Wahl liege ein mandatsrelevanter Wahlfehler vor (siehe hierzu Verfahren B 2 U 6/22 R).

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 47 Abs 3 Nr 2 SGB IV (siehe hierzu Verfahren B 2 U 6/22 R).

Vorinstanzen:
Sozialgericht Kassel - S 11 R 250/17, 09.08.2018
Hessisches Landessozialgericht - L 9 U 175/18, 28.01.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 37/22.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war erfolgreich. Die Wahlanfechtungsklage ist unbegründet. Die Sozialwahlen zur Vertreterversammlung in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung im Jahr 2017 in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte ist frei von mandatsrelevanten Wahlfehlern in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung durchgeführt worden.

Die Entscheidung des Wahlausschusses der Beklagten, die Wahl ausschließlich im Zweig der landwirtschaftlichen Unfallversicherung durchzuführen, steht im Einklang mit den bundesrechtlichen Wahlvorschriften, die der Senat nicht für verfassungswidrig hält (siehe hierzu die Ausführungen in der Revisionssache B 2 U 6/22 R unter 2.).

Auch sonst liegen keine zur Ungültigkeit der Wahl führenden ausreichend substantiierten Wahlbeanstandungen nach der SVWO vor. Konkurrierende Listenvertreter bzw Wahlbewerber sind unstreitig von ihren Ämtern im Wahlvorstand entbunden worden. Bei Funktionären bzw leitenden Mitarbeitern von Verbänden führt eine nur behauptete Interessenkollision nicht zum Aus­schluss vom Amt im Wahlausschuss. Das beanstandete Unterschriftenquorum von 1000 Unterzeichnungen hat die von den Klägern zu 1 und 2 als Liste “Jagd“ eingereichte Liste auch als sog freie Liste erreicht. Zutreffend hat der Wahlausschuss die Liste lediglich als freie Liste unter Verwendung der Namen der Vorgeschlagenen zugelassen. Die Kläger zu 1 und 2 sind keine vorschlagsberechtigten berufsständischen Personenvereinigungen oder Verbände der Landwirtschaft. Das berufsständische Vorschlagsrecht für die Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte ist begrenzt auf Vereinigungen, die die Interessen der dazu gehörigen bei der Beklagten versicherten Inhaber von Jagden vertreten. Die Kläger zu 1 und 2 sind dagegen Vereinigungen, die generell die Interessen der Jäger bzw Jagdscheininhaber wahrnehmen. Die Streichung des unzulässigen Zusatzes "Jagd" durften die Kläger nicht über den Hinweis auf die Streichung in der ansonsten möglichen Selbstdarstellung der freien Liste umgehen. Hinsichtlich der Wahlausweise hat die Beklagte wegen eines ggf unzureichenden Datenbestandes im Unternehmerverzeichnis zwar - anders als in der SWVO vorgesehen - die bei ihr gemeldeten Unternehmer aufgefordert, die Anschreiben an weitere wahlberechtigte Mitunternehmer weiterzugeben. Es ist aber nicht ersichtlich, dass diese Vorgehensweise für den Fall ihrer Fehlerhaftigkeit Mandatsrelevanz hatte. Die von den Klägern hierzu eingereichten eidesstattliche Versicherungen haben sich im Detail als nicht belastbar erwiesen. Die Auszählung der Stimmen ist erkennbar nicht durch Externe erfolgt. Die Niederschrift über die Wahl in der Gruppe der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte belegt stattdessen die Einhaltung der Wahlvorschriften bei Auszählung der Stimmen durch die Mitglieder des Wahlausschusses als Mitglieder der Briefwahlleitung. Der hohe Anteil ungültiger Stimmen belegt nicht das Gegenteil.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 37/22.

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