Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 6/20 R

freiwillige Krankenversicherung - Unterhaltsabfindung - Verbeitragung - Verteilung - Versorgungsbezüge - einmalige Einnahme

Verhandlungstermin 18.10.2022 10:00 Uhr

Terminvorschau

L. ./. Techniker Krankenkasse, beigeladen: Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung
Die Klägerin ist seit ihrer Scheidung freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Ihr geschiedener Ehegatte hatte nach einer Trennungs- und Scheidungsvereinbarung zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt eine einmalige Abfindung in Höhe von 120 000 Euro an sie zu zahlen. Die Beklagte setzte hierauf Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für zwölf Monate auf der Grundlage monatlicher Einnahmen der Klägerin in Höhe von 10 000 Euro unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze fest. Nach Ablauf der zwölf Monate zahlte die Klägerin Beiträge auf der Basis der Mindestbeitragsbemessungsgrenze.

Die auf Verteilung der Unterhaltsabfindung auf 120 Monate gerichteten Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die der Sicherstellung des Lebensunterhalts dienende Unterhaltsabfindung sei als einmalige beitragspflichtige Einnahme für zwölf Monate dem jeweiligen Beitragsmonat mit 1/12 des Gesamtbetrags zuzuordnen. Es handele sich nicht um eine mit Versorgungsbezügen vergleichbare Einnahme, so dass eine Zuordnung zu 120 Beitragsmonaten ausscheide. Die unterschiedliche Zuordnung verletze nicht Verfassungsrecht, insbesondere nicht den Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 240 Abs 1 und 2 SGB V in Verbindung mit § 5 Abs 3 und 4 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) sowie des Art 3 Abs 1 GG. Unterhaltsabfindungen würden in der BeitrVerfGrsSz nicht ausdrücklich benannt und könnten nicht den einmaligen Einnahmen iS von § 5 Abs 3 BeitrVerfGrsSz zugeordnet werden. Vielmehr bestimme die Unterhaltsabfindung in ihrem Fall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wie bei einem Versorgungsbezug über viele Jahre. Sie diene dem Ausgleich aller nachehelichen Unterhaltsansprüche, deren Dauer bei laufender Zahlungspflicht angesichts der Ehezeit von 26 Jahren und des deutlich höheren Einkommens ihres geschiedenen Ehemanns wenigstens für zehn Jahre zu erwarten gewesen wäre. Das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1 GG erfordere daher die für Versorgungsbezüge geltende Zuordnung zu 120 Beitragsmonaten. Dies gebiete auch die Gleichbehandlung mit laufenden Unterhaltszahlungen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Dortmund - S 63 KR 2821/17, 12.07.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 10 KR 660/18, 16.10.2019

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 38/22.

Terminbericht

Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Einmalig gezahlte Unterhaltsabfindungen unterliegen in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung der Beitragspflicht und sind nach § 5 Abs 3 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz) dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des Betrags für zwölf Monate zuzuordnen. Diese vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) erlassene Regelung steht mit höherrangigem Gesetzes‑ und Verfassungsrecht in Einklang. Art 3 GG erfordert insoweit keine Gleichbehandlung mit Versorgungsbezügen, die nach § 5 Abs 4 BeitrVerfGrsSz auf 120 Beitragsmonate zu verteilen sind. Diese Regelung ist wegen der für Versicherungspflichtige entsprechend geltenden Beitragsbemessung nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V und wegen des typischerweise dauerhaften Ausscheidens von Versorgungsempfängern aus dem Erwerbsleben sachlich gerechtfertigt. Nacheheliche Unterhaltsansprüche sind demgegenüber nach dem gesetzlichen Leitbild nicht von solcher Dauerhaftigkeit geprägt, weil geschiedene Ehegatten nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung vorrangig selbst für ihren Unterhalt zu sorgen haben (§ 1569 BGB). Für eine Prognose darüber, über welchen Zeitraum eine Unterhaltsabfindung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds voraussichtlich prägen wird und wann sie als aufgezehrt gelten müsste, fehlt es an einer validen verallgemeinerungsfähigen Beurteilungsgrundlage. Die im Gleichklang mit der Behandlung anderer einmaliger Einnahmen stehende Regelung der Zuordnung einmaliger Unterhaltsabfindungen auf zwölf Beitragsmonate stellt eine unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten sachgerechte und nicht realitätsferne Vorgehensweise dar. Anhaltspunkte für einen existentiellen Härtefall aufgrund unverhältnismäßiger Belastungen liegen nicht vor.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 38/22.

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