Verhandlung B 10 EG 4/20 R
Elterngeld - nachgeburtliches Einkommen - Bezugszeitraum - Durchschnittsberechnung
Verhandlungstermin
27.10.2022 14:15 Uhr
Terminvorschau
S.M. ./. Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des der Klägerin vorläufig bewilligten Elterngelds streitig.
Die Klägerin war vor der Geburt ihrer Tochter im Juni 2018 als Syndikusrechtsanwältin in einem Unternehmen tätig und gleichzeitig als selbstständige Rechtsanwältin zugelassen. Die Beklagte bewilligte ihr zunächst vorläufig Elterngeld in Höhe von rund 14 860 Euro für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter. Nachdem die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sie ihre Arbeit als Syndikusrechtsanwältin in Teilzeit ab dem elften Lebensmonat ihrer Tochter wieder aufnehmen werde, setzte die Beklagte die vorläufige Elterngeldbewilligung auf rund 10 595 Euro wegen voraussichtlichen Einkommens im Bezugszeitraum herab. Das voraussichtliche Einkommen verteilte sie auf zwölf Bezugsmonate. Das überzahlte Elterngeld forderte die Beklagte zurück.
Die Klage der Klägerin hatte Erfolg, während die Berufung der Beklagten im Wesentlichen erfolglos blieb. Das LSG hat die Beklagte zu einer vorläufigen Elterngeldzahlung von rund 13 490 Euro verurteilt. Einkommen im Bezugszeitraum sei nur in den jeweiligen Einkommensmonaten zu berücksichtigen. Deshalb mindere das voraussichtliche Einkommen der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin im Bezugszeitraum ihr Elterngeld nur in den drei Bezugsmonaten, für die es gezahlt worden sei.
Mit ihrer Revision wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung höheren Elterngelds. Sie rügt eine Verletzung von § 2 Abs 1 und 3 BEEG. Es sei ein Durchschnittseinkommen für alle zwölf Bezugsmonate zu bilden. Das Einkommen der Klägerin aus nichtselbstständiger Arbeit als Syndikusrechtsanwältin sei durchschnittlich auf alle zwölf Monate des Bezugszeitraums zu verteilen, weil sie während des Elterngeldbezugs auch ihre Tätigkeit als selbstständige Rechtsanwältin fortgeführt habe. Dass die Klägerin aus dieser Tätigkeit nur negative Einkünfte erzielt habe, sei unerheblich.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Karlsruhe - S 9 EG 2358/19, 15.11.2019
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 EG 4175/19, 18.08.2020
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Terminbericht
Die Revision der Beklagten war im Wesentlichen erfolglos. Der Klägerin steht Elterngeld in der vom LSG vorläufig zugesprochenen Höhe zu.
Das Elterngeld war nur für diejenigen Bezugsmonate, in denen die Klägerin positive Einkünfte als Syndikusrechtsanwältin hatte, ausgehend von der Differenz zwischen vor- und nachgeburtlichem Einkommen nach § 2 Abs 3 BEEG zu berechnen. Für die Bezugsmonate mit lediglich negativen Einkünften aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin bleibt es dagegen nach § 2 Abs 1 BEEG als Bemessungsgrundlage allein beim vorgeburtlichen Einkommen. Diese Monate fließen auch nicht in die Berechnung des Durchschnittseinkommens nach der Geburt ein. Denn nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck von § 2 BEEG ist das Einkommen des Elterngeldberechtigten aus Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum zunächst monatsweise getrennt nach Einkunftsarten zu ermitteln, dann sind die positiven Beträge der verschiedenen Einkunftsarten zu summieren. Schließlich ist ein Einkommensdurchschnitt allein aus den Monaten zu bilden, aus denen Einkommen in die Summe eingeflossen ist. Diese Berechnung in drei Schritten verwirklicht am besten den Gesetzeszweck, den Einkommensausgleich durch das Elterngeld am individuellen Einkommen des Elterngeldberechtigten zu orientieren.
Bei der noch ausstehenden endgültigen Elterngeld-Bewilligung wird die Beklagte auf der Grundlage des strengen Zuflussprinzips auch zu berücksichtigen haben, ob die angekündigte Zahlung der Arbeitgeberin für Urlaubs- und Gleitzeitabbau im Bezugszeitraum als laufender Arbeitslohn oder als - für das Elterngeld unbeachtlicher - sonstiger Bezug zugeflossen ist.
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