Bundessozialgericht

Verhandlung B 7/14 AS 25/21 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Forderungseinzug - Bundesagentur für Arbeit - Jobcenter - Widerspruchsbescheid

Verhandlungstermin 08.12.2022 10:00 Uhr

Terminvorschau

1. N. d. M., 2. S. H. ./. Bundesagentur für Arbeit, beigeladen: Jobcenter Berlin Marzahn-Hellersdorf
Die Kläger wenden sich gegen Bescheide der beklagten Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des SGB II-Forderungseinzugs.  

Das beigeladene Jobcenter hatte gegenüber den Klägern bestandskräftige Erstattungsbescheide erlassen. Die Beklagte erinnerte an die Zahlung und erließ nach Widerspruch gegen diese Zahlungserinnerungen an den Kläger gerichtete Widerspruchsbescheide. Grundlage des Tätigwerdens der Beklagten war der Beschluss der Trägerversammlung des Beigeladenen, die Durchführung des Forderungseinzugs der Beklagten zu übertragen und sie zum Erlass von Verwaltungsakten und Widerspruchsbescheiden in Namen des Beigeladenen zu ermächtigen. Zur Umsetzung dieses Beschlusses trafen die Beklagte und der Beigeladene eine Zusatzverwaltungsvereinbarung.

Die Klagen sind beim SG ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat auf die Berufung des Klägers den Gerichtsbescheid des SG geändert und die von der Beklagten erlassenen Widerspruchsbescheide aufgehoben. Auch wenn der Beigeladene nur einzelne Aufgaben durch einen Träger - hier die Beklagte - nach § 44b Abs 4 Satz 1 SGB II wahrnehmen lasse, gälten die Regelungen des Auftragsrechts nach den §§ 88 bis 92 SGB X. Daher sei nach § 90 Satz 2 SGB X für den Erlass von Widerspruchsbescheiden gegen Bescheide der Beauftragten nicht die Beauftragte selbst zuständig, also die Beklagte, sondern der Beigeladene als Auftraggeber. Die angefochtenen Widerspruchsbescheide seien daher bereits aus formellen Gründen aufzuheben.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 44b Abs 4 Satz 1 SGB II iVm § 44c Abs 2 Satz 2 Nr 4 SGB II. Sie sei nicht im Rahmen eines Auftragsverhältnisses, sondern auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags tätig geworden, so dass die Normen des Auftragsrechts keine Anwendung fänden.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Berlin - S 84 AL 1210/19, 13.12.2019
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 14 AL 4/20, 05.11.2020

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Terminbericht

Die Revision der Beklagten war zurückzuweisen. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die angefochtenen Widerspruchsbescheide aufgehoben. Denn die beklagte Bundesagentur für Arbeit war nicht berechtigt, diese in eigenem Namen zu erlassen. Nach § 44b Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB II bilden zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers eine gemeinsame Einrichtung. Diese nimmt die Aufgaben der Träger nach diesem Buch wahr. Mit dieser Wahrnehmungszuständigkeit korrespondiert die Befugnis, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide im eigenen Namen zu erlassen. Nach § 44b Abs 4 SGB II kann auf Grundlage eines Beschlusses der Trägerversammlung die gemeinsame Einrichtung aber einzelne Aufgaben auch durch ihre Träger wahrnehmen lassen. Die Regelung ermöglicht die Zuweisung einzelner Aufgaben durch Auftrag, aber auch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse zur Wahrnehmung eines ganzen Aufgabenkomplexes zur Erledigung in eigenem Namen. Ob der Forderungseinzug, der regelmäßig die Rückabwicklung von Leistungen umfasst, die Aufgabengebiete beider Träger betreffen, als Aufgabenkomplex auf nur einen Träger zum Handeln im eigenen Namen zulässigerweise übertragen werden könnte, kann hier dahin gestellt bleiben.

Denn nach dem Beschluss der Trägerversammlung wurde die Beklagte nur ermächtigt, Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide im Namen der gemeinsamen Einrichtung, also des beigeladenen Jobcenters, und nicht im eigenen Namen zu erlassen. Die Vorgaben dieses Beschlusses setzt insoweit auch die Zusatzverwaltungsvereinbarung nach § 44b Abs 4 SGB II zwischen der Beklagten und dem Beigeladenen um. Sie hält für Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit der Durchführung des Forderungseinzugs fest, dass die entsprechende Dienststelle der Beklagten im Namen der gemeinsamen Einrichtung handelt.

Dem entsprechen die angefochtenen Widerspruchsbescheide nicht. Die Beklagte hat weder im Namen des Beigeladenen entschieden noch auf andere Art und Weise und aus Sicht des Bescheidadressaten transparent ein Vertretungsverhältnis offen gelegt. Klarheit darüber, wem ein Verwaltungshandeln zuzurechnen ist, gehört aber zu den unabdingbaren Rechtmäßigkeitserfordernissen eines jeden Verwaltungsakts.

Die von der Klägerin eingelegte Revision war schon wegen fehlender Postulationsfähigkeit als unzulässig zu verwerfen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 46/22

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