Bundessozialgericht

Verhandlung B 8 SO 11/20 R

Sozialhilfe - Ausländer - Passbeschaffungskosten

Verhandlungstermin 08.12.2022 11:00 Uhr

Terminvorschau

Z. A. ./. Landeswohlfahrtsverband Hessen
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger, lebt in einer Außenwohngruppe eines Wohnheims und bezog seit 2004 durchgehend Leistungen der stationären Eingliederungshilfe einschließlich eines monatlichen Barbetrags in Höhe von rund 100 Euro. Seinen Antrag auf Übernahme von Passbeschaffungskosten in Höhe von 211 Euro lehnte der beklagte Sozialhilfeträger im Jahr 2012 ab, bewilligte jedoch ein Darlehen und behielt den Betrag von 211 Euro in der Folge in monatlichen Teilbeträgen von dem Barbetrag vollständig ein. Die Klage auf zuschussweise Gewährung hat keinen Erfolg gehabt. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf zuschussweise Übernahme von Passbeschaffungskosten bestehe nicht; eine Übernahme der Kosten als weiterer notwendiger Lebensunterhalt oder durch Erhöhung des Barbetrages komme nicht in Betracht. Der Bedarf sei wegen der Möglichkeit der Beschaffung eines Ausweisersatzes nicht notwendig. Als (sonstiger) weiterer notwendiger Lebensunterhalt sei außerdem allenfalls dasjenige zu leisten, was außerhalb stationärer Leistungen als Teil des Regelsatzes gewährt würde. Dazu zähle aber der Bedarf für die Passbeschaffung nicht; denn andernfalls würden Leistungsberechtigte in Einrichtungen begünstigt.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Aachen - S 20 SO 66/13, 16.07.2013
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 SO 397/19, 16.03.2020

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Terminbericht

Der Senat hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und den Beklagten zur Zahlung der Kosten der Passbeschaffung verurteilt. Dem Kläger, der im Zeitpunkt des Bedarfsanfalls in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe lebte, stehen diese Kosten als Zuschuss zu. Die vom Heimatland erhobenen Gebühren für die Ausstellung eines neuen Passes sind dem weiteren notwendigen Lebensunterhalt iS von § 27b Abs 1, Abs 2 Satz 1 SGB XII zuzuordnen. Dieser umfasst die dem Regelbedarf zuzuordnenden aktuellen Bedarfe, die ohne die stationäre Unterbringung als Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten wären und die von der Einrichtung selbst nicht erbracht werden und nicht vom Barbetrag (und der Bekleidungspauschale) zu decken sind. Die Passbeschaffungskosten sind auch "notwendig". Die Deckung von Bedarfen durch ergänzende Darlehen scheidet für Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen aus, weil der Barbetrag, anders als der Regelsatz, keine Ansparbeträge beinhaltet. Deshalb liegt auch keine gleichheitswidrige Besserstellung gegenüber Leistungsberechtigten vor, die außerhalb einer stationären Einrichtung leben und den vollen Regelsatz erhalten. Für Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen scheidet die Ausstellung eines Ausweisersatzes schließlich typischerweise aus, weil sie die Passbeschaffungskosten als Zuschuss verlangen und sich damit einen Pass zumutbar beschaffen können.

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