Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 10/20 R

Krankenversicherung - Beitragspflicht - Kapitalleistungen - Direktversicherung - selbstständiger Handelsvertreter

Verhandlungstermin 13.12.2022 14:30 Uhr

Terminvorschau

B. S. ./. 1. BKK Scheufelen, 2. BKK Scheufelen - Pflegekasse
Der 1950 geborene Kläger war vom 1.1.1977 bis 31.5.1980 als selbstständiger Handelsvertreter tätig. Anschließend war er bis zum 31.12.1994 bei der K Lebensversicherung AG (K) beschäftigt. Aufgrund einer Zusage der K, den Kläger in ihr Versorgungswerk des hauptberuflichen Außendienstes aufzunehmen, schloss sie mit ihm am 11.3.1981 eine entsprechende Vereinbarung und gleichzeitig mit ihm als Versicherungsnehmer einen Versicherungsvertrag mit Versicherungsbeginn zum 1.1.1982. Die Versicherung wurde durch Vereinbarung vom 2.8.1993 in eine Direktversicherung umgewandelt. Der Kläger übertrug mit Wirkung vom 1.7.1993 die Eigenschaft des Versicherungsnehmers auf die K als seiner damaligen Arbeitgeberin. Die Beiträge entrichteten weiter je zur Hälfte der Kläger und die K.

Der Kläger war vom 1.1.1995 bis 30.9.2015 erneut als selbstständiger Handelsvertreter ausschließlich für die K sowie deren Rechtsnachfolgerin, die W Lebensversicherung AG (W), tätig, und bezieht seit 1.10.2015 eine Altersrente. Er war bis 30.6.2016 bei der AOK Baden-Württemberg und ist er seit 1.7.2016 bei den Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung und sPV pflichtversichert. Am 1.1.2016 wurde ihm eine Kapitalleistung iHv 127 112,01 Euro ausgezahlt. Die Beklagte zu 1. legte den Betrag - neben einer weiteren Kapitalzahlung aus einer anderen Versicherung - auch im Namen der Beklagten zu 2. der Beitragserhebung ab 1.7.2016 anteilig zugrunde.

Im Klageverfahren teilte die K mit, dass die Kapitalleistung iHv 84 118,24 Euro auf Beiträgen beruhe, die während ihrer Zeit als Versicherungsnehmerin (1.7.1993 bis 31.12.2015) geleistet worden seien. Die Beklagten haben daraufhin durch angenommenes Teilanerkenntnis die der Beitragserhebung zugrunde zu legende Kapitalleistung auf 81 681,92 Euro reduziert. Das SG hat die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Er sei bei Begründung der Direktversicherung Arbeitnehmer gewesen. An der Durchführung der Direktversicherung habe sich durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zum 1.1.1995 nichts geändert. Die Vertragsbedingungen seien insoweit nicht geändert worden. K und später W seien bis zum Ende der Vertragslaufzeit Versicherungsnehmerin geblieben. Die Kürzung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB um die von K und W finanzierten Versorgungsleistungen ändere am Charakter der Kapitalleistung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung nichts.

Der Kläger rügt eine Verletzung von §§ 237, 229 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 5 SGB V und Art 3, 14 GG. Wegen der konkreten Umstände des Falls handele es sich bei der Versicherungsleistung um keinen Versorgungsbezug. K sei nur versehentlich Versicherungsnehmerin geblieben. Die Beiträge habe er auch nicht aus Arbeitsentgelt erbracht, sondern aus bereits versteuerten und verbeitragten Einnahmen. Es fehle an einem betrieblichen Bezug, weil die Direktversicherung nicht mit einem Arbeitgeber bestanden habe. Zudem verkenne das LSG die Wirkungen des Ausgleichsanspruchs auf die Auszahlung der Versicherungssumme. Im Rahmen der Billigkeit im Sinn des § 89b HGB habe er sich einen beträchtlichen Teil der erhaltenen Lebensversicherung anrechnen lassen müssen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Reutlingen - S 1 KR 1120/17, 10.07.2019
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 KR 2653/19, 16.06.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 50/22.

Terminbericht

Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Als Leistung der betrieblichen Altersversorgung ist die ihm ausgezahlte Direktversicherung beitragspflichtiger Versorgungsbezug, soweit die frühere Arbeitgeberin Versicherungsnehmerin war. Dass die Direktversicherung durch Umwandlung entstanden ist und der Kläger ab 1.1.1995 wieder als selbstständiger Handelsvertreter tätig war, ändert daran nichts. Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des BSG als auch des BVerfG ist es zur Einordnung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung notwendig, aber auch ausreichend, dass der Durchführungsweg der Direktversicherung gewählt und der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts genutzt wird. Diesen hat der Kläger mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nicht verlassen. Denn dem Tätigkeitswechsel wurde nicht durch eine Änderung des Versicherungsvertrags, insbesondere einer (Rück-)Übertragung der Eigenschaft als Versicherungsnehmer auf den Kläger, Rechnung getragen.

Die Reduzierung des dem Kläger nach dem Ende seiner Tätigkeit als Handelsvertreter zustehenden Ausgleichsanspruchs nach § 89b Abs 1 Satz 1 HGB um die von der früheren Arbeitgeberin erbrachten Altersvorsorgeleistungen wirkt sich weder dem Grunde noch der Höhe nach auf die Beitragspflicht aus. Zwischen Ausgleichsanspruch und Kapitalleistung besteht kein unmittelbarer beitragsrechtlicher Zusammenhang. Wirtschaftlich gesehen kann eine Anspruchskürzung zwar zur Folge haben, dass die Direktversicherung überwiegend oder sogar vollständig vom Betroffenen finanziert wird. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG und des BVerfG ist es aber unerheblich, ob der Versorgungsbezug im Einzelfall ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitgebers oder allein auf Leistungen des Arbeitnehmers oder des Bezugsberechtigten beruht, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts gewahrt ist.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 50/22.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK