Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 13/20 R

Krankenversicherung - obligatorische Anschlussversicherung - rechtlicher Hinweis - Krankenkasse - Austrittsmöglichkeit - Zwei-Wochen-Frist

Verhandlungstermin 13.12.2022 15:45 Uhr

Terminvorschau

T. R. ./. AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, beigeladen: Pflegekasse bei der AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen
Der Kläger war bei der beklagten Krankenkasse und der beigeladenen Pflegekasse versicherungspflichtiges Mitglied. Aufgrund einer während des Bezugs von Alg eingetretenen Arbeitsunfähigkeit erhielt er Krankengeld. Da die Arbeitsunfähigkeit lückenlos nur bis zum 1.3.2017 bescheinigt worden war, stellte die Beklagte bestandskräftig fest, dass der Anspruch auf Krankengeld und die damit verbundene Mitgliedschaft des Klägers zum 1.3.2017 ende. Sie teilte dem Kläger mit Schreiben vom 20.6.2017 mit, dass eine Abmeldung zum 1.3.2017 vorliege und forderte dazu auf, einen Fragebogen zur Beitragseinstufung auszufüllen. Außerdem wies sie daraufhin, dass der Kläger bei ihr versichert bleibe, wenn er nicht binnen 14 Tagen wieder bei ihr angemeldet werde oder eine anderweitige Krankenkasse über die Mitgliedschaft informiere. Mit weiteren Schreiben forderte sie erneut zur Beantwortung der Fragebögen auf. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 25.7.2017 gegenüber der Beklagten, dass er "auf Weiteres darauf verzichte", bei ihr versichert zu sein. Die Beklagte stellte daraufhin fest, dass sich die Versicherung des Klägers als freiwillige Mitgliedschaft ab 2.3.2017 fortsetze. Mangels aktueller Informationen über seine Einkünfte seien auf Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sPV iHv monatlich 754,73 Euro festzusetzen. Für die Zeit vom 2.3.2017 bis zum 31.7.2017 errechne sich ein Betrag iHv 3773,65 Euro.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG den Gerichtsbescheid und die Verwaltungsentscheidung aufgehoben. Die obligatorische Anschlussversicherung liege nicht bereits ab dem 2.3.2017, sondern frühestens ab 5.7.2017 vor. § 188 Abs 4 Satz 1 SGB V verlange einen vorherigen rechtlichen Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten und eine sodann fruchtlos verstreichende Frist von zwei Wochen. Einen solchen Hinweis habe die Beklagte frühestens mit Schreiben vom 20.6.2017 erteilt. Die obligatorische Anschlussversicherung trete nicht rückwirkend (ex tunc), sondern ex nunc mit Ablauf der Zweiwochenfrist ein. In welchem Versichertenstatus der Kläger vom 2.3. bis zum 4.7.2017 gestanden habe, werde die Beklagte ebenso zu klären haben wie die zugehörige Beitragsbemessung.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 188 Abs 4 SGB V. Die angefochtene Entscheidung stehe weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit dessen Sinn und Zweck oder der Gesetzesystematik in Einklang.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Oldenburg - S 63 KR 14/18, 13.06.2018
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - L 4 KR 346/18, 16.09.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 50/22.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten hat zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG geführt. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die sog obligatorische Anschlussversicherung erst mit Ablauf der Austrittsfrist - dh 14 Tage nach Erhalt eines Hinweisschreibens über die Austrittsmöglichkeit - eintreten könne. Bereits der Wortlaut des § 188 Abs 4 Satz 1 SGB V als auch seine Struktur im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses sprechen für einen lückenlosen Anschluss an die vorangegangene Pflichtversicherung. Die Anschlussversicherung bezweckt den nahtlosen Eintritt der gegenüber der Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V vorrangigen freiwilligen Mitgliedschaft. Bei der vom LSG vertretenen Auslegung würde jedoch regelmäßig eine Versicherungslücke entstehen, die systemwidrig durch die subsidiäre Auffangpflichtversicherung geschlossen werden müsste. Diesem Verständnis stehen schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht entgegen. Auch bei einem verspäteten Hinweis der Krankenkasse entsteht durch die Rückwirkung eines wirksamen Austritts regelmäßig kein Nachteil. Dass bei einem nahtlosen Anschluss die Sondervorschrift des § 256a SGB V über die Ermäßigung nachzuzahlender Beiträge nicht zur Anwendung kommt, ist hinzunehmen. Die Anschlussversicherung vermittelt einen vollwertigen Versicherungsschutz, für den eine entsprechende Beitragspflicht besteht. Dem Senat war allerdings mangels ausreichender Feststellungen des LSG eine abschließende Entscheidung über Eintritt und Dauer der freiwilligen Versicherung sowie über die Höhe der Beiträge verwehrt.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 50/22.

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