Bundessozialgericht

Verhandlung B 8 SO 2/22 R

Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - stationäre Einrichtung - notwendiger Lebensunterhalt - Mehrbedarf - Merkzeichen G - weiterer notwendiger Lebensunterhalt

Verhandlungstermin 23.02.2023 11:30 Uhr

Terminvorschau

R. D. ./. Landrat des Kreises Segeberg
Die Klägerin lebt seit 2011 in einer stationären Pflegeeinrichtung. Sie ist voll erwerbsgemindert, schwer behindert und es wurde das Merkzeichen G festgestellt. Der Beklagte übernahm die nicht gedeckten Heimkosten im Pflegeheim, zahlte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und gewährte einen Barbetrag in Höhe von 105,57 Euro. Verschiedene Anträge der Klägerin, ihr ab dem 1. Januar 2014 als pauschale Geldleistung zusätzlich einen Mehrbedarf von 17 Prozent der maßgebenden Regelbedarfsstufe nach § 30 Absatz 1 Nummer 2 SGB XII zu gewähren, lehnte der Beklagte ab. Die hiergegen gerichteten, miteinander verbundenen Klagen auf Zahlung dieses Mehrbedarfs hat das Sozialgericht abgewiesen, das Landessozialgericht hat die Berufungen zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung des Mehrbedarfs für das Merkzeichen G. Dieser Bedarf sei nach § 27b Absatz 1 Satz 1 SGB XII (in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) Teil des notwendige Lebensunterhalts, den die Einrichtung als Sachleistung an den Leistungsberechtigten erbringe. Durch das Pflegeheim nicht erbrachte Leistungen könnten als weiterer notwendiger Lebensunterhalt (§ 27b Absatz 2 SGB XII) geltend gemacht werden. Das sei hier jedoch nicht Streitgegenstand. Aus der fehlenden Auszahlung des Mehrbedarfs folge auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hamburg, S 52 SO 455/15, 7.10.2019 
Landessozialgericht Hamburg, L 4 SO 34/20, 23.02.2021

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Terminbericht

Der Senat hat die Entscheidung des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Nach dem Abschluss eines Teilvergleichs im Übrigen ist lediglich noch über weitere Geldleistungen für Oktober 2015 in Höhe des Mehrbedarfs bei Zuerkennung des Merkzeichens G (54,40 Euro) zu entscheiden. Bei sachgerechter Auslegung des klägerischen Begehrens ist das Klageziel auf die Gewährung dieses zusätzlichen Betrags als weiterer notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen gerichtet, der als Annexleistung zur Hilfe bei stationärer Pflege als Hilfe zum Lebensunterhalt zu zahlen ist. Ein Anspruch scheidet nicht von vornherein aus, weil der Bedarf zu dem in der Einrichtung erbrachten inkludierten Lebensunterhalt gehört. Zwar fallen auch behinderungsbedingte Bedarfe bei Zuerkennung des Merkzeichens G (etwa bei der Mobilität, bei notwendigen Hilfeleistungen wegen verminderter Beweglichkeit, bei der Instandhaltung von Kleidung und Schuhen und deren Reinigung) im Grundsatz in den Deckungsbereich der Einrichtung. Deckt das Angebot der Einrichtung diese individuellen Bedarfe tatsächlich vollumfänglich ab, scheidet eine pauschale Erhöhung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts aus. Soweit dies nicht der Fall ist, sind die Bedarfe aber als dem (sonstigen) weiteren notwendigen Lebensunterhalt zuzuordnende Bedarfe gesondert zu berücksichtigen. Sie werden nicht vom angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung erfasst, weil dieser (lediglich) der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts dient, die außerhalb von Einrichtungen vom Regelsatz abgegolten sind. Soweit der Leistungsberechtigte die Bedarfe wegen eines fehlenden Angebots der Einrichtung selbst decken muss, orientiert sich die konkrete Höhe an der Vorgabe in § 30 Absatz 1 SGB XII; Leistungen, die von der Einrichtung erbracht werden, sind allerdings zu berücksichtigen. Nachdem die Klägerin dargelegt hat, dass insbesondere ihre Mobilitätsbedarfe von der Einrichtung nur unzureichend gedeckt werden, wird das Landessozialgericht von Amts wegen zu überprüfen haben, ob und inwieweit tatsächlich eine Deckungslücke verbleibt und die abschließenden Feststellungen zur Höhe des weiteren notwendigen Lebensunterhalts zu treffen haben.

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