Verhandlung B 12 R 6/21 R
Versicherungs- und Beitragsrecht - Rentenversicherung - Betriebsprüfung - Bilanzbuchhalter Steuerberatungs-GmbH - Gesellschafter mit Stammkapital von 50 vom Hundert - Statusfeststellungsverfahren - Vertrauensschutz
Verhandlungstermin
13.03.2023 14:00 Uhr
Terminvorschau
K. A. GmbH Treuhand ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. M. S., 2. Bundesagentur für Arbeit, 3. AOK Rheinland/Hamburg - Die Gesundheitskasse Geschäftsbereich Personal/Recht
Der Beigeladene zu 1. war vom 1. Juli 1987 bis zum 30. Juni 2019 als Bilanzbuchhalter der klagenden Steuerberatungs-GmbH tätig. Von deren Stammkapital hielt er 50 vom Hundert. Der weitere Gesellschafter war als Steuerberater alleiniger Geschäftsführer. Sein Geschäftsführervertrag wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 23. Dezember 1987 insoweit ergänzt, als die Einstellung und Kündigung von mitarbeitenden Gesellschaftern zu den über den Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäften zählen, für die der Geschäftsführer die vorherige Genehmigung der Gesellschafterversammlung einzuholen hat. Der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen am 1. Juli 1987 geschlossene Anstellungsvertrag sah unter anderem ein festes monatliches Gehalt, Weihnachts- und Urlaubsgeld, eine vom Gewinn abhängige Tantieme und einen Jahresurlaub von 30 Tagen vor. Für Verbindlichkeiten der Klägerin hatte der Beigeladene eine Bürgschaft in Höhe von 20 000 Euro übernommen.
Aufgrund einer Betriebsprüfung 2016 teilte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund der Verwaltungsberufsgenossenschaft mit Schreiben von April 2016 mit, dass der Beigeladene als nicht unfallversicherungspflichtige Person unzutreffend im Datenbaustein für die Unfallversicherung gemeldet worden sei. Die Klägerin erhielt hiervon eine Ausfertigung. Die Verwaltungsberufsgenossenschaft wies die Klägerin mit Schreiben von September 2017 darauf hin, dass der Beigeladene nach dem Ergebnis der Betriebsprüfung als mitarbeitender Gesellschafter der Klägerin im Prüfzeitraum keine abhängige Beschäftigung ausgeübt und nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Damit gehöre der Beigeladene in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zum Kreis der versicherten Personen und habe keinen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz.
Im mit Antrag von Juni 2017 eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren stellte die Beklagte nach Anhörung im Oktober 2017 im November 2017 fest, dass der Beigeladene aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Der Beigeladene habe Weisungen des Geschäftsführers nicht abwehren können. Der nicht notariell beurkundete Beschluss vom 23. Dezember 1987 habe den Gesellschaftsvertrag nicht geändert. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 7 Absatz 1 und § 7a SGB IV sowie von Artikel 20 Absatz 3 GG. Die Beklagte habe eine unzulässige Elementenfeststellung getroffen. Der Beigeladene habe wegen seiner hälftigen Kapitalbeteiligung jeden Beschluss der Gesellschafterversammlung verhindern können. Unabhängig davon bestehe ein schutzwürdiges Vertrauen. Sämtliche Betriebsprüfungen seien beanstandungsfrei verlaufen. Die Betriebsprüfung im Jahr 2016 habe konkret die Tätigkeit des Beigeladenen umfasst. Die Verwaltungsberufsgenossenschaft habe ausdrücklich mitgeteilt, dass der Beigeladene nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Köln, S 30 BA 210/18, 10.05.2019
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 8 BA 153/19, 29.01.2020
Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 10/23.
Terminbericht
Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide enthalten keine unzulässige Elementenfeststellung. Sie stellen rechtmäßig die Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund seiner Beschäftigung als Bilanzbuchhalter fest.
Der Gesellschaftsvertrag der klagenden GmbH enthielt keine das Weisungsrecht des Geschäftsführers ausschließende oder zumindest einschränkende Regelung. Dass die Einstellung und Kündigung von mitarbeitenden Gesellschaftern zu den über den Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäften gehören, die der Genehmigung der Gesellschafterversammlung bedürfen, war lediglich im Geschäftsführervertrag geregelt. Ungeachtet dessen fehlte dem Beigeladenen die - mit eigenen organschaftlichen Rechten ausgestattete - Führungsfunktion des Geschäftsführers, um die Geschicke des Unternehmens wesentlich mitzubestimmen.
Ein der Feststellung von Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung entgegenstehender Verwaltungsakt liegt nicht vor. Soweit im Bescheid der Verwaltungsberufsgenossenschaft von September 2017 ausgeführt wird, dass der Beigeladene "keine abhängige Beschäftigung ausübt und nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt", handelt es sich ersichtlich um eine beschreibende Wiedergabe der vermeintlichen Feststellungen im Rahmen der vorangegangenen Betriebsprüfung. Die den Verwaltungsakt kennzeichnende Regelung besteht allein in der Feststellung, dass der Beigeladene in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Ein vertrauensstiftendes Verhalten der Beklagten oder ein solches ihr zurechenbares Verhalten der Verwaltungsberufsgenossenschaft liegt nicht vor. Auch wenn die Aussage, der Beigeladene sei nicht abhängig beschäftigt und unterliege nicht der Sozialversicherungspflicht, für sich betrachtet möglicherweise Anlass zu einem Missverständnis bieten konnte, sprechen die weiteren Umstände gegen die Anerkennung eines schützenswerten Vertrauens. Bereits im unmittelbar folgenden Satz wird geregelt, dass der Beigeladene in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zum Kreis der versicherten Personen gehöre. Auch die zeitlichen Abläufe sprechen gegen die Entstehung eines schützenswerten Vertrauens. Der Bescheid der Verwaltungsberufsgenossenschaft erging während des schwebenden Statusfeststellungsverfahrens. Rund einen Monat später wurde die Klägerin von der Beklagten zur beabsichtigten Feststellung von Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung angehört. Dass die Klägerin im Hinblick auf eine von ihr angenommene fehlende Versicherungspflicht des Beigeladenen versicherungsrechtlich relevante Dispositionen vorgenommen hätte, ist weder vom Landessozialgericht festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 10/23.