Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 4/22 R

Vertragsarztrecht - vertragsärztliche Versorgung - Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Zusatzbezeichnung Kindergastroenterologie - Erbringung von pädiatrisch-gastroenterologischen Leistungen - Zulassung

Verhandlungstermin 23.03.2023 14:00 Uhr

Terminvorschau

Kassenärztliche Vereinigung Hamburg ./. Berufungsausschuss für Ärzte Hamburg, 7 Beigeladene
Im Streit steht, ob die beigeladene Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Zusatzbezeichnung Kindergastroenterologie zur Erbringung von pädiatrisch-gastroenterologischen Gebührenordnungspositionen nach Kapitel 4, Abschnitt 4.5.1 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen einer zulassungsrechtlichen Befugnis nach § 73 Absatz 1a Satz 3 SGB V für die (partielle) Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung bedarf. Ihren hierauf gerichteten Antrag lehnte der Zulassungsausschuss ab. Auf ihren Widerspruch stellte der beklagte Berufungsausschuss fest, dass die Beigeladene als Kinderärztin bereits ohne die beantragte Genehmigung berechtigt sei, gastroenterologische Leistungen nach Kapitel 4 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen zu erbringen. Für eine Regelung der Zulassungsgremien gebe es keinen Raum, weil Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin Leistungen der pädiatrisch-gastroenterologischen Gebührenordnungspositionen nicht im fachärztlichen Bereich erbringen würden. Da das Kapitel 4 der arztgruppenspezifischen Gebührenordnungsposition (III.) im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen mit "Versorgungsbereich Kinder- und Jugendmedizin" überschrieben sei, liege es nahe, dieses - neben dem hausärztlichen und dem fachärztlichen Versorgungsbereich - als "eigenen" Versorgungsbereich anzusehen.

Auf die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung hat das Sozialgericht die Feststellung des Berufungsausschusses aufgehoben. Die vertragsärztliche Versorgung gliedere sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Kinder- und Jugendärzte ohne Schwerpunktbezeichnung - wie die beigeladene Ärztin - nähmen grundsätzlich an der hausärztlichen Versorgung teil. Abrechenbare Leistungen führe der entsprechend den Vorgaben des § 87 Absatz 2a Satz 1 SGB V gegliederte Einheitliche Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen im Kapitel III.a ("Hausärztlicher Versorgungsbereich") auf. Dieser sei untergliedert in einen "Hausärztlichen Versorgungsbereich" (Kapitel III.a 3) und einen "Versorgungsbereich Kinder- und Jugendmedizin" (Kapitel III.a 4). Im letzteren seien zwar auch die streitigen Gebührenordnungspositionen unter Abschnitt 4.5.1 aufgeführt. Dies diene aber nur der besseren Übersichtlichkeit; ein eigener Versorgungsbereich der Kinder- und Jugendmedizin sei damit nicht geschaffen worden. Vielmehr handele es sich um fachärztliche Leistungen, für deren Erbringung die beigeladene Kinderärztin eine Genehmigung nach § 73 Absatz 1a Satz 3 SGB V benötige.

Mit seiner Sprungrevision rügt der Beklagte einen Verstoß gegen den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen. Da sowohl die Gebührenordnungspositionen der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin als auch diejenigen der schwerpunktorientierten sowie der - hier streitgegenständlichen - Kinder- und Jugendmedizin mit Zusatzweiterbildung im Kapitel III.a und damit im "Hausärztlichen Versorgungsbereich" geregelt seien, sei die in § 87 Absatz 2a Satz 1 SGB V vorgeschriebene Gliederung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen in hausärztliche und fachärztliche Leistungen für die Kinder- und Jugendmedizin aufgegeben worden. Die Beigeladene zu 1. werde mit der Erbringung der gastroenterologischen Leistungen damit nicht in einem anderen Versorgungsbereich tätig. Einer zulassungsrechtlichen Befugnis zur partiellen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung bedürfe sie daher nicht.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hamburg - S 27 KA 64/19, 28.7.2021

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Terminbericht

Die Sprungrevision des beklagten Berufungsausschusses ist ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht hat den Bescheid des Beklagten zu Recht und mit zutreffenden Gründen teilweise aufgehoben. Entgegen der von dem Beklagten getroffenen Feststellung bedarf die zu 1. beigeladene Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin zur Erbringung pädiatrisch-gastroenterologischer Leistungen nach Kapitel 4, Abschnitt 4.5.1 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen einer Erlaubnis zur partiellen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung nach § 73 Absatz 1a Satz 3 SGB V. Die Beigeladene zu 1. nimmt als Kinder- und Jugendärztin ohne Schwerpunktbezeichnung grundsätzlich an der hausärztlichen Versorgung teil. Bei den streitgegenständlichen pädiatrisch-gastroenterologischen Leistungen handelt es sich aber um fachärztliche Leistungen. Die zu 1. beigeladene Ärztin darf diese Leistungen daher nur vertragsärztlich erbringen, wenn die Zulassungsgremien die partielle Teilnahme (auch) an der fachärztlichen Versorgung genehmigen.

Auch in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung unterscheidet der Einheitliche Bewertungsmaßstab bei Leistungen der Kinder- und Jugendmedizin zwischen Leistungen der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Die Gebührenordnungspositionen der allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin (Abschnitt 4.2) gehören zur hausärztlichen Versorgung und die Gebührenordnungspositionen der schwerpunktorientierten Kinder- und Jugendmedizin (Abschnitt 4.4) sowie die der Pädiatrischen Gebührenordnungspositionen mit Zusatzweiterbildung (Abschnitt 4.5) - und damit auch die streitigen pädiatrisch-gastroenterologischen Leistungen - gehören zur fachärztlichen Versorgung. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Gliederung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes, aber aus Regelungen der Präambel 4.1 Nummer 4 zu Kapitel 4. Die Zuordnung der unter den Abschnitten 4.4 und 4.5 genannten Leistungen zur fachärztlichen Versorgung wird ferner durch den Umstand bestätigt, dass vergleichbare Leistungen der “Erwachsenenmedizin“ den fachärztlichen Kapiteln des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes zugeordnet sind. Auch die Abbildung der einzelnen kinderärztlichen Leistungen im Kapitel 4 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes bestätigt dieses Ergebnis. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab könnte nach dem derzeitigen Regelungskonzept des SGB V über die Struktur der vertragsärztlichen Versorgung auch keinen dritten, neben der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung stehenden eigenständigen Versorgungsbereich der Kinder- und Jugendmedizin regeln. Bislang sehen die einschlägigen Vorschriften im SGB V allein zwei Versorgungsbereiche - nämlich den hausärztlichen und den fachärztlichen Versorgungsbereich - vor.

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