Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 3/21 R

Unfallversicherung - Schüler - Bahnsurfen - Stromschlag

Verhandlungstermin 30.03.2023 13:00 Uhr

Terminvorschau

O.K.-T. ./. Unfallkasse Brandenburg
Der damals knapp 16jährige Kläger war Gymnasiast und bestieg am 21. Januar 2015 nach Schulende den Regionalexpress, um nach Hause zu fahren. Während der Fahrt öffnete er die verschlossene Durchgangstür des letzten Waggons mit einem mitgeführten Vierkantschlüssel und stieg auf die dahinterliegende, den Zug schiebende Lok. Auf dem Dach wurde er von einem Stromschlag aus der Starkstrom führenden Oberleitung erfasst und stürzte von der Lok. Er überlebte schwer verletzt und zog sich unter anderem hochgradige Verbrennungen von circa 35 % der Körperoberfläche zu.

Anders als das Sozialgericht hat das Landessozialgericht einen Arbeitsunfall verneint und die Klage abgewiesen. Bei Schülern sei zwar Wegeunfallversicherungsschutz auch für spielerische Betätigungen zu bejahen, wenn diese sich unter Berücksichtigung besonderer schülergruppendynamischer Prozesse noch im Rahmen hielten. Im Falle des Klägers sei indes keine besondere Gruppendynamik erkennbar. Der Geschehensablauf lasse vielmehr eine zielgerichtete Zäsur der versicherten Heimfahrt erkennen. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger auch über die geistige Reife verfügt, die Gefährlichkeit seines Handelns zu erkennen.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 SGB VII.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Potsdam - S 12 U 1/16, 18.11.2016
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 3 U 4/17, 11.06.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 12/23.

Terminbericht

Die Revision des Klägers war erfolgreich. Zu Unrecht hat das Landessozialgericht das zusprechende Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat einen Wegeunfall erlitten als er am 21. Januar 2015 nach Schulende während der Heimfahrt mit dem Regionalexpress auf die den Zug schiebende Lok stieg und dabei einen Stromschlag erlitt.

Bei Schülern besteht Unfallversicherungsschutz auch für spielerische Betätigungen im Rahmen schülergruppendynamischer Prozesse. Auch im Falle des Klägers ging es bei wiederholten Surfaktionen darum, im befreundeten Schülerkreis "cool" zu sein. Die von ihm selbstgeschaffene Gefahr schließt den Unfallversicherungsschutz nicht aus. Mit seinen erfolgreichen Surfaktionen in der Vergangenheit hat der Kläger vielmehr eine Sorglosigkeit erworben, die zu einer massiven alterstypischen Selbstüberschätzung führte und ihn darauf vertrauen ließ, es werde weiterhin alles gut gehen. Entgegen der Vorinstanz bieten gute Schulzeugnisse insoweit auch bei hohem Risiko keinen Schutz vor alterstypischer Selbstüberschätzung. Weder hat schließlich die räumliche Entfernung von den anderen Schülern die Gruppendynamik entfallen lassen noch der Aufstieg auf die Lok den unmittelbaren Heimweg mit dem Regionalexpress unterbrochen oder sonst gelöst.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 12/23.

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