Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 8/22 R

Vertragsarztrecht - psychotherapeutische Versorgung - Vergütung - nicht antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen - Quotierung - zeitbezogene Kapazitätsgrenze

Verhandlungstermin 24.05.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

Gegenstand der Verfahren B 6 KA 8/22 R, B 6 KA 9/22 R, B 6 KA 10/22 R, B 6 KA 11/22 R, B 6 KA 12/22 R, B 6 KA 13/22 R sind jeweils die Wirksamkeit von Honorarverteilungsvereinbarungen der regionalen Gesamtvertragspartner betreffend die Quotierung der Vergütung für nicht antrags- und genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen innerhalb einer zeitbezogenen Kapazitätsgrenze in den Jahren 2010 und 2011.

Für diesen Zeitraum hatte der Bewertungsausschuss Vorgaben für die Honorarverteilung zu bestimmen. Diese sahen für überwiegend psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten zeitbezogene Kapazitätsgrenzen je Quartal für antrags- und genehmigungspflichtige und nicht antrags- und genehmigungspflichtige Leistungen vor, bei deren Überschreiten die Leistungen nur abgestaffelt vergütet wurden. In den hier streitigen regionalen Honorarverteilungsvereinbarungen war darüber hinaus eine Quotierung der nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen innerhalb der Kapazitätsgrenzen für den Fall vorgesehen, dass die angeforderten Leistungen das einschlägige Honorarkontingent überstiegen. Dementsprechend erhielten die Kläger ihr Honorar nur quotiert ausgezahlt. Die Landessozialgerichte haben die Honorarbescheide aufgehoben. Die Honorarverteilungsvereinbarungen seien unwirksam, weil sie gegen höherrangiges Recht verstießen.

Dr. H. C. ./. Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg
Der Kläger, der als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für psychotherapeutische Medizin (jetzt: Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie) sowie Facharzt  für Psychiatrie und Psychotherapie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, wurde mit seinem Einverständnis honorartechnisch als Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie behandelt. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung wies dem Kläger zeitbezogene Kapazitätsgrenzen zu, die er jeweils unterschritt. Die Quotierung seiner nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen führte zu Honorarminderungen um 1472,88 Euro (Quartal 1/2011), 2363,30 Euro (Quartal 3/2011) und 1205,12 Euro (Quartal 4/2011). Der Widerspruch des Klägers war ebenso erfolglos wie die nachfolgende Klage.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts geändert, die Honorarbescheide für die Quartale 1/2011, 3/2011 und 4/2011 hinsichtlich der noch streitigen Quotierung aufgehoben und die Beklagte verurteilt, über die Vergütung dieser Leistungen neu zu entscheiden. Den Vorgaben des Bewertungsausschusses sei keine Ermächtigung der Partner der Gesamtverträge zu entnehmen, die psychotherapeutischen Leistungen innerhalb der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze mit einem geringeren Punktwert als den Preisen der regional geltenden Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Die Konvergenzregelung, die aufgrund der Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung für eine begrenzte Zeit Steuerungsmaßnahmen vorsah, ermögliche keine Quotierung, weil die nicht antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen bereits einer Steuerung durch die zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen unterlägen. Auch rechtfertige die vom Bewertungsausschuss mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 eingeführte Regelung zur Finanzierung der Leistungen innerhalb der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze keine Quotierung. Der Bewertungsausschuss habe die Vorgaben, mit denen er eine Vergütung der nicht antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung festgelegt habe, nicht geändert.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Stuttgart, S 11 KA 3206/13, 18.02.2015
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 5 KA 4152/18, 28.04.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 18/23.

Terminbericht

Die Revision der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht hat die Quotierung der vom Kläger erbrachten nicht antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen innerhalb der zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen in den Quartalen 1/2011, 3/2011 und 4/2011 zutreffend als rechtswidrig erachtet. Die zugrunde liegende Honorarverteilungsvereinbarung war wegen Verstoßes gegen die im Jahr 2011 geltenden Vorgaben des Bewertungsausschusses für die Honorarverteilung und damit gegen höherrangiges Recht unwirksam.

Nach Wortlaut und Regelungssystematik fehlt es an einer hinreichend klaren und eindeutigen bundesrechtlichen Ermächtigung in den einschlägigen Beschlüssen des Bewertungsausschusses, die die Partner der Gesamtverträge auf Landesebene dazu berechtigt hätte, die streitigen Leistungen trotz Einhaltung der zugewiesenen zeitbezogenen Kapazitätsgrenze mit einem geringeren Punktwert als dem Preis der regional geltenden Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Eine Regelung zur Abstaffelung der Vergütungen treffen die Vorgaben des Bewertungsausschusses nur bei Überschreitung der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze. Der Kläger hat diese Grenze nach den bindenden Feststellungen des Landessozialgerichts in den streitigen Quartalen aber nicht überschritten.

Eine Ermächtigung zur Quotierung von Leistungen innerhalb der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze ergibt sich nicht bereits aus der sogenannten Konvergenzregelung in Abschnitt II des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 26. März 2010. Danach bestand eine Steuerungsmöglichkeit auf Landesebene nur, “soweit“ die Leistungen nicht bereits nach Teil F Abschnitt I einer Steuerung unterzogen waren. Dies war hier aber durch die Bildung einer einheitlichen zeitbezogenen Kapazitätsgrenze für antrags- und genehmigungspflichtige sowie nicht antrags- und genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen nach Abschnitt I der Fall.

Nichts anderes folgt aus der mit Beschluss des Bewertungsausschusses zum 1. Oktober 2010 neu eingefügten Vorschrift in Teil F Abschnitt I Nummer 4.3. Diese regelt nach dem Wortlaut der Überschrift die “Finanzierung der Leistungen innerhalb der zeitbezogenen Kapazitätsgrenze“ für ein erstmals zu bildendes gemeinsames Vergütungsvolumen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung für beide Leistungsarten der hier relevanten Arzt- beziehungsweise Therapeutengruppe. Eine Ermächtigung der Partner der Gesamtverträge zur Quotierung der nicht antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen ergibt sich hieraus jedoch insbesondere deswegen nicht, da der Bewertungsausschuss an der Vergütung der Leistungen bis zur zeitbezogenen Kapazitätsgrenze “mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung“ festgehalten hat.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 18/23.

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