Bundessozialgericht

Verhandlung B 9 SB 3/22 R

Schwerbehindertenrecht - Grad der Behinderung - Herabsetzungsbescheid - hinreichende Bestimmtheit - Bekanntgabezeitpunkt

Verhandlungstermin 15.06.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

D. P. ./. Land Brandenburg
Die Beteiligten streiten über die hinreichende Bestimmtheit eines Herabsetzungsbescheids im Schwerbehindertenrecht.

Nach einer Krebserkrankung hatte der Beklagte bei dem Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 festgestellt. Nach Ablauf der Heilungsbewährung stellte er nach Anhörung mit Bescheid vom 19. Juni 2017 fest, dass die verbliebenen Gesundheitsstörungen mit Wirkung "ab Bekanntgabe dieses Bescheides" nur noch einen GdB von 20 bedingten. An welchem Tag dieser Bescheid zur Post aufgegeben wurde, lässt sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen. Den auf den 14. Juli 2017 datierten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte zurück. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und den Herabsetzungsbescheid aufgehoben, soweit darin bei dem Kläger ein GdB von weniger als 50 festgestellt worden war. Der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt und schon deshalb rechtswidrig. Der Beklagte habe die Herabsetzung des GdB "ab Bekanntgabe" des Bescheids angeordnet, obwohl der Zeitpunkt seiner Bekanntgabe unklar geblieben und insbesondere vom Beklagten nicht nachzuweisen sei. Damit bleibe auch zu unbestimmt, ab wann die maßgebliche Herabsetzungsentscheidung gelten solle. Ein solches Datum lasse sich auch nicht durch Auslegung ermitteln.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 33 Absatz 1 SGB X. Der Herabsetzungsbescheid sei hinreichend bestimmt. Ein verständiger Empfänger müsse die Formulierung "ab Bekanntgabe" nach den objektiven Umständen so verstehen, dass die Herabsetzung mit dem Zeitpunkt seines Zugangs wirksam werden solle, den er ohne Weiteres bestimmen könne.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Potsdam, S 5 SB 369/17, 10.09.2019
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 13 SB 11/20, 25.11.2021

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 22/23.

Terminbericht

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landessozialgericht begründet.

Entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts ist der Herabsetzungsbescheid nicht bereits wegen Unbestimmtheit rechtswidrig, weil der Bescheid für den Beginn der Herabsetzung des Grads der Behinderung (GdB) des Klägers kein kalendermäßig bestimmtes Datum nennt, sondern diese mit Wirkung "ab Bekanntgabe" des Bescheids beginnen lässt. Der Begriff der Bekanntgabe ist ein feststehender Rechtsbegriff des Sozialverwaltungsrechts, der heute nicht mehr ungenau oder missverständlich ist. Die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts erfolgt mit dessen Zugang. Dafür genügt es, wenn der Verwaltungsakt so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen Kenntnis nehmen kann. Danach konnte der Kläger dem Bescheid bei verständiger Betrachtung entnehmen, ab wann die Herabsetzung des GdB wirksam werden sollte. Dass sich der genaue Zeitpunkt der Bescheid-Bekanntgabe nicht mehr feststellen lässt, berührt nicht dessen inhaltliche Bestimmtheit, sondern nur die Beweisebene.

Ob die Herabsetzung des GdB mit Wirkung ab Bekanntgabe des Bescheids im Übrigen rechtmäßig war, konnte der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht entscheiden. Zu solchen Feststellungen hatte das Landessozialgericht - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - auch keinen Anlass. Es wird diese im wieder eröffneten Berufungsverfahren nunmehr nachholen müssen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 22/23.

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