Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 25/21 R

Rentenversicherung - Geldinstitut - Rücküberweisung überzahlte Rente - anonyme Barabhebungen - Auskunftsanspruch - Auszahlungseinwand - Erstattungsanspruch gegen Dritte - bankübliches Zahlungsgeschäft

Verhandlungstermin 26.07.2023 13:00 Uhr

Terminvorschau

Deutsche Rentenversicherung Bund ./. B. Sparkasse
Der klagende Rentenversicherungsträger begehrt vom beklagten Geldinstitut die weitere Rücküberweisung überzahlter Renten. Hilfsweise verlangt er Auskunft über Name und Adresse der Personen, die eine Kontovollmacht für das Rentenkonto hatten.

Der Rentenempfänger, der eine Regelaltersrente aus eigener Versicherung und eine Witwerrente bezog, verstarb im Januar 2017. Die Klägerin überwies in Unkenntnis des Todes die Renten für Februar 2017 auf das bislang genutzte, von der Beklagten geführte Konto. In der Folgezeit wurden mittels Geldkarte und PIN des Rentenempfängers drei anonyme Barabhebungen vom Rentenkonto getätigt, unter anderem am Automaten eines institutsunabhängigen Geldautomatenbetreibers. Die Beklagte überwies der Beklagten 21,72 Euro zurück. Die Klägerin verlangte von ihr die Rücküberweisung von zuletzt noch weiteren 465,83 Euro. Hilfsweise machte sie einen Auskunftsanspruch geltend. Ihre Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Abhebung am Automaten eines unabhängigen Geldautomatenbetreibers sei hinsichtlich des Auszahlungseinwands nicht anders zu behandeln als diejenige an einem institutseigenen Geldautomaten. Der Auskunftsanspruch reiche nur so weit, wie es zur Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs gegen Dritte nach § 118 Absatz 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch erforderlich sei. Ein Kontobevollmächtigter sei nicht bereits wegen seiner Vollmacht über das Rentenkonto als "Verfügender" erstattungspflichtig. Ihm müsse darüber hinaus eine Pflichtverletzung nachgewiesen werden. Eine Erstreckung des Auskunftsanspruchs auf Angaben zu den Kontobevollmächtigten sei nicht möglich.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 118 Absatz 3 Sätze 3 und 4 sowie Absatz 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch. Hinsichtlich der Abhebung am institutsunabhängigen Automaten sei der Beklagten der Auszahlungseinwand abgeschnitten. Indem sie das Rentenkonto deswegen belastet habe, habe sie eine eigene Forderung befriedigt. Der Auskunftsanspruch umfasse nach seinem Sinn und Zweck auch Angaben zu Kontobevollmächtigten. Nur so lasse sich prüfen, ob eine bevollmächtigte Person ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Rentenkontos zugelassen habe und dem Rentenversicherungsträger deswegen zur Erstattung verpflichtet sei.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Berlin, S 17 R 2252/17, 13.08.2018
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 3 R 647/18, 23.07.2020

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 30/23.

Terminbericht

 Die Revision der Klägerin ist mit dem auf Auskunftserteilung gerichteten Hilfsantrag erfolgreich gewesen. Den auf Zahlung gerichteten Hauptantrag haben die Vorinstanzen zutreffend abgewiesen. Die Beklagte kann sich auch hinsichtlich der Barabhebung an einem institutsunabhängigen Geldautomaten auf den Einwand einer anderweitigen Verfügung berufen. Die Beklagte ist der Klägerin jedoch zur weiteren Auskunft verpflichtet. Nach § 118 Absatz 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch hat ein Geldinstitut, das gegenüber dem Rentenversicherungsträger den Auszahlungseinwand geltend machen kann, diesem auf Verlangen auch die Namen und Anschriften aller ihm bekannten Kontobevollmächtigten zu benennen. Das ergibt die insbesondere am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung des Begriffs “etwaige neue Kontoinhaber“. Der Begriff umfasst auch die Personen, die als Erben des Rentenbeziehers in Betracht kommen, denn beim Tod eines Kontoinhabers geht das Konto in aller Regel auf die Erben über. Typisierend kann bei lebensnaher Betrachtung davon ausgegangen werden, dass die Personen, die Inhaber einer über den Tod des Rentenbeziehers hinaus fortbestehenden Kontovollmacht sind, zum Kreis der potentiellen Erben des Rentenbeziehers gehören. Die Kontovollmacht beruht regelmäßig auf einem besonderen, häufig familiär geprägten Vertrauens- und Näheverhältnis, das eine Begünstigung über den Tod hinaus ausreichend naheliegend erscheinen lässt.

 Das Geldinstitut wird durch diese Auskunftspflicht auch nicht unangemessen belastet. Der Personenkreis ist klar begrenzt und dem Geldinstitut ohne eigene Nachforschungen bekannt. Die Prüfung, ob eine für das Rentenkonto bevollmächtigte Person zur (Teil-)Erstattung der überzahlten Rente verpflichtet ist, obliegt allein dem Rentenversicherungsträger.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 30/23.

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