Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 13/22 R

Krankenversicherung - Kostenerstattung - Kinderwunschbehandlung

Verhandlungstermin 29.08.2023 11:45 Uhr

Terminvorschau

M. H.-B. ./. BARMER
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten einer Kinderwunschbehandlung.

Die 1983 geborene Klägerin ist seit Mai 2019 bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversichert. Ihr 1982 geborener Ehemann ist hälftig beihilfeberechtigt und im Übrigen privat krankenversichert.

Die Klägerin beantragte im Juni 2019 unter Vorlage eines Behandlungsplans und eines Kostenvoranschlags die Kostenübernahme für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung mittels Intracytoplasmetischer Spermieninjektion wegen einer Fertilitätsstörung ihres Ehemanns.

Die Klägerin und ihr Ehemann hatten bereits im März 2019 einen erfolglosen Versuch einer künstlichen Befruchtung unternommen. Die damalige Krankenkasse der Klägerin hatte eine hälftige Kostenbeteiligung der der Klägerin zuzuordnenden Behandlungskosten für drei Versuche bewilligt. Die private Krankenversicherung des Ehemannes der Klägerin hatte ebenfalls die Kostenübernahme für drei Versuche zugesagt. Die Beihilfe hatte eine Kostenübernahme abgelehnt, weil die Aufwendungen allein der Klägerin und nicht ihrem Ehemann zuzuordnen seien. Für den ersten Versuch hatte die private Krankenversicherung abgesehen von der Beanstandung zweier Rechnungspositionen die Hälfte der angefallenen Kosten erstattet.

Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag auf Genehmigung des Behandlungsplans für den zweiten Versuch ab. Die private Krankenversicherung des Ehepartners der Klägerin übernehme bereits die Hälfte ihrer Behandlungskosten. Der Klägerin verbleibe der gesetzlich vorgesehene hälftige Eigenanteil. Die Klägerin ließ die zweite Kinderwunschbehandlung in der Zeit von Juli bis September 2019 durchführen. Hierfür sind ihr und ihrem Ehemann Kosten in Höhe von insgesamt 5037,44 Euro in Rechnung gestellt worden. Die private Krankenversicherung des Ehemanns erstattete davon 2441,45 Euro.

Das Sozialgericht hat die Klage auf hälftige Kostenerstattung für die zweite Kinderwunschbehandlung abgewiesen, das Landessozialgericht die Berufung zurückgewiesen. Indem die private Krankenversicherung des Ehemanns der Klägerin die Hälfte der Gesamtkosten dem Grunde nach erstattet habe, habe sie Kosten in der Höhe des Freistellungsanspruchs der Klägerin gegenüber der beklagten Krankenkasse übernommen. Dadurch sei deren Schuld erloschen beziehungsweise erstattungsfähige Aufwendungen lägen nicht mehr vor.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 13 Abs 3 und § 27a SGB V.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Speyer, S 7 KR 1103/19, 25.10.2021
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, L 5 KR 221/21, 24.05.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 32/23.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Die Klägerin hat gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf Erstattung der Hälfte der Kosten ihrer zweiten Kinderwunschbehandlung, obwohl bereits eine hälftige Kostenübernahme durch die private Krankenversicherung ihres Ehemannes erfolgt ist. Das Gesetz trifft in § 27a SGB V keine Regelung dazu, ob und nach welchen Gesichtspunkten bei “gemischt versicherten“ Paaren ein Ausschluss, ein Ausgleich oder eine Kostenteilung der jeweiligen Ansprüche zwischen privater Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenkasse stattfindet. Ehegatten, die unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen angehören, steht bei sich überschneidenden Ansprüchen auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gegen ihre gesetzliche und private Krankenversicherung nach der Rechtsprechung des Senats ein Wahlrecht zu. Die vollständige Erfüllung des Anspruchs gegen die private Krankenversicherung lässt auch den gleichgerichteten, sich inhaltlich überschneidenden Anspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung erlöschen. Von einer inhaltlichen Überschneidung der Ansprüche ist jedoch nur auszugehen, wenn anderenfalls eine Überkom-pensation einträte, weil sich Leistungen unterschiedlicher Krankenversicherungsträger hinsichtlich deckungsgleicher Ansprüche kumulieren. Haben die Eheleute aber wie vorliegend gegen den privaten Krankenversicherer in Ausübung ihres Wahlrechts nur eine Kostenerstattung in Höhe der hälftigen Behandlungskosten beansprucht und erhalten, erlischt der Anspruch auf ebenfalls hälftige Kostenerstattung gegen die gesetzliche Krankenkasse nicht. Die Ansprüche gegen private Krankenversicherung und gesetzliche Krankenkasse sind dann nicht deckungsgleich, sondern ergänzen einander. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Anspruch gegen die Krankenkasse subsidiär gegenüber Ansprüchen des anderen Ehegatten in einem anderen Krankenversicherungssystem wäre.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 32/23.

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