Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 18/22 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - stationäre Behandlung - ambulante Strahlentherapie - vom Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter

Verhandlungstermin 29.08.2023 14:15 Uhr

Terminvorschau

A Klinik GmbH ./. AOK Rheinland/Hamburg und 1 Beigeladene
Eine bei der beklagten Krankenkasse Versicherte war an einem metastasierenden Gebärmutterkrebs erkrankt und wurde vom 17. bis 22.7.2015 im klagenden Krankenhaus vollstationär durch Chemotherapie behandelt. Die bereits zuvor ambulant begonnene Strahlentherapie wurde während des Krankenhausaufenthalts ambulant durch die beigeladene Arztpraxis fortgesetzt und dem Krankenhaus in Rechnung gestellt. Das Krankenhaus war im Krankenhausplan für 2015 der Freien und Hansestadt Hamburg unter anderem mit dem Fachgebiet "Innere Medizin" aufgenommen. Dem Fachgebiet "Strahlentherapie" waren zwei Hamburger Krankenhäuser zugewiesen, nicht hingegen das klagende Krankenhaus. Das Krankenhaus berechnete für die stationäre Behandlung der Versicherten 5057,02 Euro nach Fallpauschale DRG E08C, die sich auf Grundlage unter anderem der mehrfachen Kodierung der Prozedur 8-522.91 (Hochvoltstrahlentherapie, Linearbeschleuniger, intensitätsmodulierte Radiotherapie, mit bildgeschützter Einstellung) nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel ergab. Die Krankenkasse zahlte auf diese Rechnung nur 2652,98 Euro: Das Krankenhaus sei nicht berechtigt, die von der Beigeladenen durchgeführten strahlentherapeutischen Leistungen abzurechnen, da es sich nicht um allgemeine Krankenhausleistungen nach § 2 KHEntgG in Form von vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter gehandelt habe. Vielmehr seien die strahlentherapeutischen Leistungen in alleiniger Verantwortung und Organisation der Beigeladenen erbracht worden. Es ergebe sich folglich die geringer vergütete DRG E73B (Pleuraerguss ohne äußerst schwere CC, Kostengewicht 0,797).   

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung des Differenzbetrags von 2404,04 Euro nebst Zinsen verurteilt, das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen: Bei der durchgeführten Strahlentherapie handele es sich um eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter nach § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 KHEntgG, die unter der Gesamtverantwortung des Krankenhauses erbracht worden sei. Sie sei auch vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses für "Innere Medizin" erfasst. Unter Zugrundlegung der Abgrenzung der Fachgebiete nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer erfasse diese auch Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der interdisziplinären Indikationsstellung zu chirurgischen, strahlentherapeutischen und nuklearmedizinischen Behandlungsverfahren sowie deren prognostische Beurteilung im multidisziplinären Team. Für eine Zuordnung der Strahlenheilkunde zur Inneren Medizin spreche auch, dass das Leistungsgeschehen in der stationären Versorgung durch die Kliniken mit einem ausdrücklichen Versorgungsauftrag für Strahlenheilkunde wegen der unterschiedlichen Struktur der Versorgung in der Strahlenheilkunde nicht vollständig abgebildet werde.

Mit ihrer Revision rügt die KK die Verletzung von § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V, § 7 KHEntgG, § 17b Absatz 1 Satz 10 KHG, § 9 Absatz 1 Nummer 1 KHEntgG, § 2 Absatz 1 Satz 1 KHEntgG und § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 KHEntgG sowie der Fallpauschalenvereinbarung 2015 und der Prozedur 8-552.9.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hamburg, S 6 KR 193/16, 23.03.2021
Landessozialgericht Hamburg, L 1 KR 60/21, 23.06.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 32/23.

Terminbericht

Die Revision der beklagten Krankenkasse hatte Erfolg. Der Senat hat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dem klagenden Krankenhaus steht kein Anspruch auf weitere Vergütung unter Berücksichtigung der kodierten Prozedur 8-522.91 des Operationen- und Prozedurenschlüssel für die von der beigeladenen Praxis durchgeführte ambulante Strahlentherapie zu. Es handelte sich zwar um eine vom Krankenhaus veranlasste Leistung eines Dritten und damit um eine allgemeine Krankenhausleistung. Das Krankenhaus war verpflichtet, hierdurch die unstreitig vorhandene strahlentherapeutische Behandlungsbedürftigkeit der Versicherten abzudecken, denn es durfte die Versicherte - anders als bei der hiervon ausgenommenen Dialyse - nicht auf einen ambulanten Leistungserbringer verweisen (Verbot der ambulanten Parallelbehandlung). Der Anspruch scheitert jedoch daran, dass das Krankenhaus keinen Versorgungsauftrag für die Erbringung strahlentherapeutischer Leistungen hatte und daher nicht berechtigt war, die Prozedur 8-522.91 zu kodieren und abzurechnen. Vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter sind nur dann als eigenständige Operationen und Prozeduren kodierfähig, wenn das Krankenhaus sie nach dem Inhalt seines Versorgungsauftrages auch selbst erbringen durfte. Mit dem Versorgungsauftrag wird unter anderem konkret eingegrenzt, welche Leistungen das Krankenhaus erbringen, das heißt, selbst durchführen darf. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des maßgeblichen Krankenhausplans und des diesen konkretisierenden Feststellungsbescheids durch das Landessozialgericht bezog sich der Versorgungsauftrag hier nur auf die Indikationsstellung und Koordination– extern in Auftrag gegebener - strahlentherapeutischer Leistungen. Sie selbst waren aber nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst.

Die Berichte zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 32/23.

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