Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 12/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss - fehlende postalische Erreichbarkeit - Wohnungsloser

Verhandlungstermin 20.09.2023 12:00 Uhr

Terminvorschau

P. B. /. Jobcenter Stuttgart
Der Kläger, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezog, hat keinen festen Wohnsitz. Im Februar 2020 forderte ihn der Beklagte auf, sich eine Postadresse einzurichten. Die Kasse des Jobcenters könne er nicht mehr wie bisher zum Empfang von Schriftstücken nutzen. Weil der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, lehnte der Beklagte seinen Weiterbewilligungsantrag ab. Die postalische Erreichbarkeit sei Leistungsvoraussetzung.

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Entgegen § 1 Absatz 1 Satz 2 der hier anwendbaren Erreichbarkeitsanordnung, habe der Kläger nicht sichergestellt, dass er an jedem Werktag per Briefpost erreichbar sei. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Kläger in seinen Räumlichkeiten die Einsichtnahme in Schriftstücke zu ermöglichen.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 7 Absatz 4a SGB II alter Fassung und § 75 Absatz 2 Alternative 2 SGG. Der Leistungsanspruch hänge nicht von der postalischen Erreichbarkeit ab. Die gesetzliche Anordnung der entsprechenden Geltung der Erreichbarkeitsanordnung beziehe sich nur auf das Genehmigungsverfahren für einen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs (§ 3 Erreichbarkeitsanordnung). Im Übrigen sei er postalisch erreichbar gewesen. Der Beklagte hätte für ihn bestimmte Schriftstücke in der Verwaltungsakte ablegen und ihn auffordern können, sich täglich nach hinterlegten Schriftstücken zu erkundigen. Jedenfalls hätte das Landessozialgericht den zuständigen Sozialhilfeträger beiladen müssen. Bei Verneinung eines Anspruchs nach dem SGB II kämen Leistungen nach dem SGB XII in Betracht.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Stuttgart, S 14 AS 2297/20, 12.08.2020
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 13 AS 2528/20, 07.07.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 35/23.

Terminbericht

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte ohne festen Wohnsitz den Anforderungen der im streitigen Zeitraum gemäß § 7 Absatz 4a SGB II alter Fassung anwendbaren Erreichbarkeitsanordnung jedenfalls genügen dürften, wenn sie sich täglich zum Jobcenter begeben und dort nach für sie bestimmten Schriftstücken fragen. Die Möglichkeit der Einrichtung einer Postadresse bei einer Obdachloseneinrichtung sei demgegenüber nicht vorrangig. Daraufhin haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 35/23.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK