Bundessozialgericht

Verhandlung B 8 SO 19/22 R

Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Rente wegen voller Erwerbsminderung - Sterbegeldversicherung - Abschluss während des Leistungsbezugs - Angemessenheit

Verhandlungstermin 20.09.2023 13:00 Uhr

Terminvorschau

H. M. ./. Land Berlin
Die 1960 geborene Klägerin leidet unter anderem an den Folgen eines Guillain-Barré-Syndroms und einer Anpassungsstörung. Seit 2018 bezieht sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und von dem Beklagten ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII. Im Juli 2019 beantragte die Klägerin die Berücksichtigung von Beiträgen zu einer noch abzuschließenden Sterbegeldversicherung. Dies lehnte der Beklagte ab. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht hob die Entscheidung des Sozialgerichts auf und stellte fest, dass der Beklagte verpflichtet sei, für den Fall des Abschlusses einer Sterbegeldversicherung die Beiträge für eine der beiden günstigsten Versicherungen, die keine Gesundheitsprüfung, eine Wartezeit von nur einem Jahr und eine Versicherungssumme von 5000 Euro vorsähen, bei der Berechnung der Leistungen vom Einkommen abzusetzen. Zur Begründung führte es aus, der Gesetzgeber habe mit der Umformulierung von § 33 Absatz 2 Satz 1 SGB XII zum Ausdruck gebracht, dass Sterbegeldversicherungen stets als angemessen anzuerkennen seien. Diese Auslegung sei auf § 82 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 SGB XII zu übertragen, in dessen Rahmen es zudem unbeachtlich sei, ob eine Versicherung während des Leistungsbezuges erstmalig abgeschlossen werde.

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Berlin, S 184 SO 102/20, 30.09.2020
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 15 SO 243/20, 21.09.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 37/23.

Terminbericht

Der Senat hat die Entscheidung des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die Feststellung der Übernahmefähigkeit der Beiträge einer noch abzuschließenden Sterbegeldversicherung konnte zulässigerweise als vorbeugende Elementenfeststellungsklage zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht werden, weil zu erwarten ist, dass der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung einer endgültigen Klärung zugeführt wird. Der Senat konnte jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin Anspruch auf die begehrte Feststellung hat. Für die Frage, ob eine Versicherung nach § 82 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 SGB XII Berücksichtigung findet, ist es unbeachtlich, ob diese bereits vor Leistungsbezug abgeschlossen wurde oder dies erst während des laufenden Leistungsbezugs der Fall ist. Für Sterbegeldversicherungen gilt zwar, dass diese gegenüber anderen privaten (kapitalbildenden) Versicherungen privilegiert sind (vergleiche die heutige Entscheidung des Senats zum Aktenzeichen B 8 SO 22/22 R), jedoch ist zur Beurteilung der erforderlichen Angemessenheit bei nach Leistungsbeginn abgeschlossenen Sterbegeldversicherungen das Vorliegen eines in der individuellen Lebenssituation des Leistungsempfängers liegenden nachvollziehbaren Grundes zu prüfen. Vorliegend kann dahinstehen, ob bereits das Erreichen der Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 SGB XII ausreicht oder eine darüber hinausgehende zeitliche Nähe zum Vorsorgefall erforderlich ist, denn die Klägerin hat die Altersgrenze noch nicht erreicht. Ein nachvollziehbarer Grund kann sich aber auch aus der jeweiligen individuellen gesundheitlichen Situation ergeben; allein die festgestellte dauerhafte volle Erwerbsminderung der Klägerin genügt hierfür jedoch nicht. Vielmehr ist in einem solchen Fall erforderlich, dass der Leistungsberechtigte an einer schwerwiegenden Erkrankung leidet, die wegen des damit im konkreten Fall einhergehenden Risikos einer reduzierten Überlebenswahrscheinlichkeit Anlass dazu gibt, Vorsorge für die Sicherstellung der Beerdigungskosten zu treffen. Feststellungen hierzu wird das Landessozialgericht nachzuholen haben. Dabei wird es zudem zu beachten haben, dass die abzuschließende Versicherung auch im Übrigen angemessen sein muss (vergleiche dazu die heutige Entscheidung des Senats zum Aktenzeichen B 8 SO 22/22 R).

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 37/23.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK