Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 8/21 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - Übergangsgeld - Krankengeld - Rentenversicherungsbeiträge - fiktives Nettoarbeitsentgelt - Hochrechnung - Bruttoarbeitsentgelt

Verhandlungstermin 24.10.2023 11:00 Uhr

Terminvorschau

IKK - Die Innovationskasse  ./.  Deutsche Rentenversicherung Bund
Die klagende Krankenkasse zahlte vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2013 an 29 Versicherte in unmittelbarem Anschluss an deren Bezug von Übergangsgeld Krankengeld. Das während einer Leistung zur Teilhabe gewährte Übergangsgeld war jeweils auf der Grundlage von § 48 SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung, im Folgenden: aF) aus 65 vom Hundert des auf ein Jahr bezogenen (fiktiven) tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelts berechnet worden. Bei der Berechnung des Krankengelds legte die Klägerin 70 vom Hundert des Regelentgelts zu Grunde. Das Regelentgelt wurde mit 80 vom Hundert der kalendertäglichen Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld und diese mit 65 vom Hundert des tariflichen oder ortsüblichen jährlichen Arbeitsentgelts verteilt auf 360 Tage angesetzt (vergleiche § 47 Absatz 4 Satz 2 in Verbindung mit § 235 Absatz 1 Satz 1 SGB V). Für die Bemessung der Rentenversicherungsbeiträge zog sie 80 vom Hundert des nach § 48 SGB IX aF errechneten Betrags (65 vom Hundert des tariflichen oder ortsüblichen Arbeitsentgelts) heran.

Im Rahmen einer Prüfung der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen aus Entgeltersatzleistungen (§ 212a SGB VI) setzte die beklagte DRV Bund eine Beitragsnachforderung in Höhe von 19 688,78 Euro zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 2857,50 Euro fest. Grundlage für die Beitragsberechnung seien nach § 166 Absatz 1 Nummer 2 SGB VI 80 vom Hundert des gesamten (fiktiven) tariflichen/ortsüblichen Arbeitsentgelts.

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Beitragspflichtige Einnahmen seien 80 vom Hundert des Arbeitsentgelts, das der vorangegangenen Lohnersatzleistung zu Grunde gelegen habe. Das gelte unabhängig von der für die Ersatzleistung vorgeschriebenen Berechnungsweise. Diese Auslegung des § 166 Absatz 1 Nummer 2 SGB VI berücksichtige zutreffend den Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 SGB IV sowie die Gesetzeshistorie. Soweit die Klägerin ihre Auffassung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5.5.2009 (B 1 KR 16/08 R, juris) stütze, verkenne sie, dass diese Entscheidung zur Berechnung des Krankengelds ausschließlich in leistungsrechtlicher Hinsicht ergangen sei.

Die Klägerin rügt die Verletzung von § 166 Absatz 1 Nummer 2 SGB VI. Das Landessozialgericht stütze sich rechtsirrig auf § 14 Absatz 1 SGB IV, weil der hier betroffene Personenkreis in den drei Jahren vor der beruflichen Reha-Maßnahme kein Bruttoarbeitsentgelt erzielt habe. § 48 SGB IX aF bestimme für diese Sonderfälle ausschließlich ein fiktives tarifliches oder ortsübliches Netto-Arbeitsentgelt. Die Voraussetzungen für eine Hochrechnung auf ein Bruttoarbeitsentgelt nach § 14 Absatz 2 SGB IV seien insoweit nicht erfüllt. Mangels beitragsrechtlicher Sonderregelungen könne daher ausnahmsweise nur das im Leistungsrecht fiktiv festgelegte Nettoentgelt in Höhe von 65 vom Hundert des tariflichen/ortsüblichen Arbeitsentgelts herangezogen werden. Dieses Ergebnis entspreche zudem der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 5.5.2009. Der vom Landessozialgericht vorgesehene Zugriff auf ein volles tarifliches Bruttojahresentgelt bei Personen, die langjährig tatsächlich keine relevanten Einnahmen erzielt hätten, führe zu späteren Rentenvorteilen gegenüber solchen Versicherten, deren Renten aus untertariflichen oder unterdurchschnittlich erzielten Arbeitsentgelten berechnet würden. Dies sei mit der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente nicht begründbar.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Lübeck, S 45 R 566/14, 29.03.2017
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 1 R 69/17, 06.08.2020

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 43/23.

Terminbericht

Die Klägerin hat im Hinblick auf das zu dem Aktenzeichen B 12 R 1/22 R ergangene Urteil die Revision zurückgenommen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 43/23.

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