Bundessozialgericht

Verhandlung B 10 EG 1/23 R

Elterngeld Plus - Partnerschaftsbonus - schwerstbehindertes Kind - fehlender Betreuungsplatz

Verhandlungstermin 26.10.2023 10:15 Uhr

Terminvorschau

A. M. ./. Land Rheinland-Pfalz
Der Kläger und seine Ehefrau (die Klägerin im Verfahren B 10 EG 2/23 R) beanspruchen Elterngeld Plus in der Form des Partnerschaftsbonus für ihren gemeinsamen Sohn, obwohl seine Ehefrau die dafür gesetzlich vorgeschriebene Teilzeittätigkeit mangels eines Betreuungsplatzes für das Kind nicht ausüben konnte.

Der Kläger und seine Ehefrau sind Eltern eines im Juli 2018 geborenen Sohnes. Dieser leidet seit seiner Geburt an einer globalen Entwicklungsstörung und einem Anfallsleiden. Bei ihm wurde deshalb ein Grad der Behinderung von 100 und unter anderem die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung (Merkzeichen B) festgestellt.

Im August 2018 beantragten der Kläger und seine Ehefrau für ihren Sohn bei der Stadt Mainz einen Betreuungsplatz, den diese erst im September 2020 bereitstellte. Im Juni 2019 bewilligte die Stadtverwaltung der Stadt Mainz als für die Durchführung des BEEG zuständige Behörde dem Kläger vorläufig Elterngeld Plus in Form des Partnerschaftsbonus für den 15. bis 18. Lebensmonat seines Sohnes. Nachdem die Ehefrau des Klägers mitgeteilt hatte, sie könne die beabsichtigte Teilzeittätigkeit nicht aufnehmen, weil die Stadt Mainz ihr keinen Betreuungsplatz angeboten habe, hob die Stadtverwaltung die Bewilligung des Partnerschaftsbonus für den Kläger wieder auf. Die Eltern planten keine gleichzeitige Teilzeitbeschäftigung mehr, was diese Leistung aber zwingend voraussetze. Den Widerspruch wies das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung zurück.

Die gegen das Land Rheinland-Pfalz gerichtete Klage, mit der sich der Kläger gegen den Entzug des Partnerschaftsbonus gewendet hat, hat das Sozialgericht abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Partnerschaftsbonus an den Kläger und seine Ehefrau seien entfallen, weil nicht beide gleichzeitig in Teilzeit berufstätig sein konnten. Die Ausnahmevorschriften des BEEG für den Bezug der Leistung insbesondere durch Alleinerziehende erfüllten sie nicht. Eine analoge Anwendung scheide mangels planwidriger Regelungslücke aus. 

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 48 Absatz 1 SGB X, § 4 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1 und § 4 Absatz 6 BEEG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 23. Mai 2017. Der Entzug des Partnerschaftsbonus sei ermessensfehlerhaft und verletze den Grundsatz von Treu und Glauben. Die Stadt Mainz habe es amtspflichtwidrig unterlassen, rechtzeitig einen Betreuungsplatz für seinen schwerstbehinderten Sohn bereitzustellen. Wegen des daraus resultierenden Amtshaftungsanspruchs stehe der Aufhebung zugleich die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Schließlich bestehe eine planwidrige Regelungslücke im BEEG. Wenn ein Elternteil mangels eines Betreuungsplatzes sein behindertes Kind pflegen müsse und deshalb nicht wie geplant erwerbstätig sein könne, sei ihm der Partnerschaftsbonus im Wege der analogen Rechtsanwendung zu gewähren.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Mainz, S 12 EG 8/19, 22.10.2021
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, L 2 EG 4/21, 05.12.2022

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Terminbericht

Die Revision des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Seine Anfechtungsklage gegen den Entzug des Partnerschaftsbonus richtete sich gegen das Land als falschen Beklagten. Richtiger Beklagter wäre die Stadtverwaltung Mainz als die nach Landesrecht für die Durchführung des BEEG zuständige und im Sozialgerichtsprozess beteiligtenfähige Behörde gewesen, die den vom Kläger angegriffenen Aufhebungsbescheid erlassen hat. Darüber hinaus hat der Kläger aber auch in der Sache keinen Anspruch auf den Partnerschaftsbonus. Er verfehlt die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Leistung, weil seine Ehefrau mangels eines Betreuungsplatzes für den gemeinsamen Sohn während des geplanten Bezugszeitraums keine Teilzeittätigkeit ausüben konnte. Eine analoge Anwendung der Ausnahmeregelungen für den Alleinbezug des Partnerschaftsbonus auf den Kläger scheidet aus. Das BEEG weist nicht die dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke auf. Zudem befand sich der Kläger wegen der Betreuung seines Sohnes durch seine Ehefrau nicht in vergleichbarer Lage wie alleinerziehende Eltern, die den Partnerschaftsbonus unter erleichterten Voraussetzungen beziehen können.

Der Kläger kann dem Entzug des Partnerschaftsbonus schließlich keinen Amtshaftungsanspruch gegen die Stadt Mainz wegen der unterlassenen rechtzeitigen Bereitstellung eines Betreuungsplatzes als Einrede der unrechtmäßigen Rechtsausübung ("dolo agit"-Einrede) entgegenhalten. Die Entscheidung über diesen Anspruch obliegt allein den ordentlichen Gerichten, weil er bisher nicht Streitgegenstand des Verfahrens war. Ohnehin bliebe die erfolgte rechtmäßige Aufhebung der Gewährung des Partnerschaftsbonus von einem möglichen Gegenanspruch auf Schadensersatz aus Amtshaftung unberührt.

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