Verhandlung B 8 SO 1/23 R
Sozialhilfe - stationäre Einrichtung - Leistungsantrag - verspätete Entscheidung - Schadensersatzanspruch des Einrichtungsträgers
Verhandlungstermin
23.11.2023 12:30 Uhr
Terminvorschau
Katholischer Männerfürsorgeverein e.V../. Bezirk Oberbayern
Der Kläger betreibt auf Grundlage einer mit dem Beklagten geschlossenen Leistungsvereinbarung nach §§ 75 ff SGB XII eine stationäre Einrichtung zur Versorgung von Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Er nahm am 28. November 2018 einen kroatischen Staatsangehörigen auf und brachte ihn in einer Wohngruppe unter mit Vollverpflegung, Wäscheversorgung, sozialer und psychologischer Beratung und tagesstrukturierender Maßnahmen im arbeitstherapeutischen Bereich. Trotz mehrerer Nachfragen durch den Kläger entschied der Beklagte zunächst nicht über den Leistungsantrag vom 6. Dezember 2018 und bewilligte später Leistungen ab dem 3. April 2019. Mit bestandkräftigem Bescheid vom 13. September 2019 lehnte er Leistungen für den vorhergehenden Zeitraum wegen eines Leistungsausschlusses nach § 23 SGB XII gegenüber dem Leistungsberechtigten ab. Die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 17 670,56 Euro für die Leistungserbringung vom 28. November 2018 bis zum 2. April 2019 hat in beiden Instanzen keinen Erfolg gehabt: Aus einer behaupteten verspäteten Entscheidung über den Leistungsantrag könne kein Schadensersatzanspruch der Einrichtung wegen der Verletzung von Nebenpflichten aus der zwischen den Beteiligten geschlossenen Leistungsvereinbarung abgeleitet werden. Zweck der zwischen den Beteiligten als Leistungserbringer und Leistungsträger geschlossenen Normverträge nach §§ 75 ff SGB XII sei die Setzung von Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung. Sie enthielten keine Nebenpflichten, deren Verletzung nach Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des im Fall einer positiven Entscheidung über den Leistungsantrag entstehenden Vergütungsanspruchs auslösen würde. Da keine vergleichbare Interessenlage bestehe, komme eine entsprechende Anwendung des § 280 BGB nach § 61 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch nicht in Betracht.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Schadensersatzanspruch weiter und rügt die Verletzung der §§ 75 ff SGB XII und § 61 Absatz 2 SGB X.
Verfahrensgang:
Sozialgericht München, S 46 SO 625/19, 10.03.2022
Bayerisches Landessozialgericht, L 8 SO 81/22, 17.11.2022
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Terminbericht
Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass kein Schadensersatzanspruch der klagenden Einrichtung wegen der Betreuung des kroatischen Staatsangehörigen besteht, dessen Antrag auf Erklärung eines Schuldbeitritts zugunsten des Klägers erst neun Monate nach Aufnahme bindend abgelehnt worden war. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus einer Leistungsvereinbarung mit den im Gesetz vorgegebenen Mindestinhalten (also über Art, Ziel und Qualität der Leistung, die betriebsnotwendigen Anlagen der Einrichtung, den von ihr zu betreuenden Personenkreis, die Qualifikation des Personals sowie die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung) keine Nebenpflicht des Beklagten zur Entscheidung über die Leistungsberechtigung in einem bestimmten Zeitraum. Insbesondere die im Gesetz zwingend als Vertragsinhalt vorgesehene Verpflichtung der Einrichtung, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen, hat nur das Ziel, dem Sozialhilfeträger die Wahrnehmung seiner Gewährleistungsverantwortung zu ermöglichen, vermittelt aber keine Rechte der Einrichtung im Hinblick auf das Risiko einer Fehlbelegung bei Aufnahme. Die vorliegende Leistungsvereinbarung setzt vielmehr in allen Punkten voraus, dass der Empfänger der Leistung Berechtigter im Sinne des § 19 Absatz 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ist.
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