Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 10/21 R

Unfallversicherung - Elternbeiratsmitglied - kommunaler Kindergarten - Weihnachtsbasar - Sägearbeiten - Privatgrundstück

Verhandlungstermin 05.12.2023 10:00 Uhr

Terminvorschau

St.K. ./. Unfallkasse Thüringen, beigeladen: Deutsche Rentenversicherung Bund
Der Kläger war Mitglied des Elternbeirates eines kommunalen Kindergartens. Im Jahr 2017 sollte der Kläger nach Absprache im Elternbeirat für den jährlich stattfindenden Weihnachtsmarkt des Kindergartens Baumscheiben beschaffen und zurecht schneiden, um diese auf dem Basar des Weihnachtsmarktes zu verkaufen.

Der Erlös war für Projekte des Kindergartens vorgesehen. Am 18. November 2017 schnitt der Kläger auf seinem Privatgrundstück die Baumscheiben zu. Dabei geriet seine linke Hand in die Kreissäge, woraufhin er seinen Mittel- und Ringfinger verlor. Die beklagte Unfallkasse lehnte es ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Klage und Berufung waren erfolglos. Versicherungsschutz wegen einer ehrenamtlichen Tätigkeit für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts scheide aus. Der Kläger habe sich zwar unentgeltlich für den Kindergarten betätigt, dessen Trägerin die Gemeinde gewesen sei. Es fehle aber an der Zuordnung der unfallbringenden Tätigkeit zum qualifizierten Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Gemeinde. Die Tätigkeit des Klägers auf seinem Privatgrundstück bewege sich außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereiches der Gemeinde beziehungsweise des Kindergartens, da diese keine Einwirkungsmöglichkeiten gehabt hätten.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 8 Absatz 1, § 2 Absatz 1 Nummer 10 Buchstabe a SGB VII). Er habe für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts in deren Auftrag, jedenfalls aber mit ausdrücklicher Einwilligung eine ehrenamtliche Tätigkeit ausgeführt. Für den Unfallversicherungsschutz sei es nicht erforderlich, die versicherte Tätigkeit an einem bestimmten Ort durchzuführen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Gotha, S 18 U 2673/15, 15.06.2020
Thüringer Landessozialgericht, L 1 U 682/20, 30.04.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 47/23.

Terminbericht

Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren aufzuheben und das Ereignis vom 18. November 2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Der Kläger war im Unfallzeitpunkt als gewähltes Mitglied des Elternbeirats innerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der Gemeinde als Trägerin des Kindergartens und des gesetzlichen Aufgabenkreises des Elternbeirats ehrenamtlich mit dieser Handlungstendenz tätig. Die Durchführung des Weihnachtsmarktes einschließlich des Weihnachtsbasars gehörte zu diesen Aufgabenkreisen, wie die Vorinstanz unter Auslegung des Thüringer Landesrechts verbindlich festgestellt hat.

Im Übrigen hatten Kindergarten und Elternbeirat dem Kläger die unfallbringenden Sägearbeiten konkret übertragen. Die Tätigkeit bewegte sich insoweit innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereiches der Gemeinde. Fehlende Einwirkungsmöglichkeiten auf dem Privatgrundstück des Klägers sind ohne Auswirkungen auf den Versicherungsschutz. Der Schutz ehrenamtlich Tätiger erstreckt sich ohne zeitliche und örtliche Begrenzung auf alle Tätigkeiten “für“ die im Gesetz genannten Einrichtungen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 47/23.

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