Verhandlung B 6 KA 1/22 R
Vertragsarztrecht - Vergütung - Berufsausübungsgemeinschaft - neuropsychologische Behandlung - psychotherapeutische Behandlung - Psychotherapie-Richtlinie - Strukturzuschlag
Verhandlungstermin
13.12.2023 13:00 Uhr
Terminvorschau
BAG F und Y ./. Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, beigeladen: 1. Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2.GKV-Spitzenverband
Die Klägerin, eine aus zwei Psychotherapeuten bestehende Berufsausübungsgemeinschaft, begehrt höhere Vergütung für die im Quartal 2/2013 erbrachten neuropsychologischen Leistungen (probatorische Sitzungen und Einzelbehandlungen). Beide Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft verfügten über die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung sowohl von Verhaltenstherapie als auch von Leistungen der neuropsychologischen Therapie. Die neuropsychologische Therapie dient der Behandlung von hirnorganisch verursachten Störungen. Die EBM-Ziffern zur Abrechnung neuropsychologischer Leistungen sind zu Beginn des Jahres 2013 eingeführt worden. Probatorische Sitzungen und Einzelbehandlungen im Rahmen der neuropsychologischen Behandlung wurden dabei ebenso bewertet, wie die entsprechenden Leistungen nach der Psychotherapie-Richtlinie (1755 Punkte für probatorische Sitzungen, 2315 Punkte für Einzelbehandlungen). Später wurde die Vergütung für die psychotherapeutischen Leistungen nach der Psychotherapie-Richtlinie, nicht jedoch für die neuropsychologische Therapie - teilweise in unmittelbarer Umsetzung von Vorgaben aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats - rückwirkend erhöht und um einen sogenannten Strukturzuschlag ergänzt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass die Leistungen der neuropsychologischen Therapie nicht niedriger, sondern - insbesondere wegen der einzusetzenden medizinisch-technischen Geräte - sogar höher als die entsprechenden Leistungen der Richtlinientherapie bewertet werden müssten. Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Bewertungsausschuss nicht verpflichtet gewesen sei, die - nicht genehmigungspflichtigen - neuropsychologischen Leistungen ebenso zu bewerten wie die sowohl zeitgebundenen als auch genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach der Psychotherapie-Richtlinie.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin insbesondere eine Verletzung des § 87 Absatz 2c Satz 6 SGB V alte Fassung (heute: Satz 8), der eine angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen vorschreibt.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Düsseldorf, S 33 KA 96/14, 20.06.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 11 KA 69/18, 30.06.2021
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Terminbericht
Die Revision der Klägerin war erfolglos. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass sie keinen Anspruch auf höhere Vergütung für die im Quartal 2/2013 erbrachten neuropsychologischen Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen 30931 (Probatorische Sitzung) und 30932 (Neuropsychologische Therapie <Einzelbehandlung>) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen hat. Die Bewertung der genannten Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab mit 1755 beziehungsweise 2315 Punkten war nicht zu beanstanden. Der Bewertungsausschuss durfte sich bei der Einführung dieser Gebührenordnungspositionen im Jahr 2013 in Ermangelung ausreichender betriebswirtschaftlicher Daten an der damaligen Bewertung der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen nach der Psychotherapie-Richtlinie orientieren. Er war allerdings seinerzeit nicht zu einer identischen Bewertung verpflichtet. Von der Einzeltherapie in einem Verfahren nach der Psychotherapie-Richtlinie unterschied sich die neuropsychologische Einzeltherapie insbesondere dadurch, dass die Erbringung nicht von einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse abhängig war. Die Genehmigungspflicht von Leistungen stellte in dem hier streitigen Quartal ein sachliches Differenzierungsmerkmal zwischen beiden Leistungsarten dar, das eine unterschiedliche Vergütung rechtfertigen kann. Zudem stand dem Bewertungsausschuss bei Einführung der neuropsychologischen Therapie in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab unter dem Gesichtspunkt der Anfangs- und Erprobungsregelung ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zu. Deshalb war der Bewertungsausschuss auch nicht verpflichtet, die rückwirkende Höherbewertung von Leistungen in einem Verfahren nach der Psychotherapie-Richtlinie auf die Bewertung neuropsychologischer Leistungen zu übertragen. Ab dem Jahr 2019 hat der Bewertungsausschuss die neuropsychologische Einzelbehandlung übereinstimmend mit der Einzelbehandlung in einem Verfahren nach der Psychotherapie-Richtlinie bewertet. Dessen ungeachtet war die anfangs als Erprobung eingeführte Regelung rückwirkend nicht zu korrigieren.
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