Bundessozialgericht

Verhandlung B 7 AS 15/22 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensanrechnung - Erwerbstätigenfreibetrag - Vergütung für Reservistentätigkeit in der Bundeswehr - Mindestleistung - Reservistendienstleistungsprämie

Verhandlungstermin 13.12.2023 10:30 Uhr

Terminvorschau

M. B. ./. Jobcenter Stadt Kassel
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Einnahmen aus einer Reservistenübung bei der Berechnung des Alg II des Klägers im Monat Juli 2017 und die Erstattung von Leistungen.

Der im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen stehende Kläger wurde von der Bundeswehr als Oberstleutnant der Reserve regelmäßig zum Dienst zur Ableistung einer Übung herangezogen, so auch vom 26. bis 30. Juni 2017. Hierfür wurden ihm Ende Juli 2017 eine Mindestleistung von 498,75 Euro und eine Reservistendienstleistungsprämie von 132,60 Euro vom Bundesamt für Personalmanagement nach dem Gesetz über die Leistungen zur Sicherung des Unterhalts von Reservistendienst Leistenden (Unterhaltssicherungsgesetz - USG) gezahlt.

Gestützt auf § 48 SGB X hob das beklagte Jobcenter die Bewilligungsentscheidung für den Monat Juli 2017 teilweise auf und verlangte die Erstattung von Leistungen. Den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag reduzierte er im Widerspruchsbescheid von 601,35 Euro auf 524,83 Euro. Die Klage hiergegen ist erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Entscheidungen des Beklagten geändert. Den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag hat das Berufungsgericht mit 425,08 Euro erkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, von den dem Kläger vom Personalmanagement erbrachten Leistungen seien vor der Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II Absetzungen wie vom Einkommen eines Erwerbstätigen vorzunehmen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung von § 11b Absatz 2 und 3 SGB II. Im Hinblick auf die erbrachte Mindestleistung komme ein den Alg II-Anspruch erhöhender Abzug eines Erwerbstätigenfreibetrags nicht in Betracht. Bei dieser Leistung handele es sich um eine solche, die demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II im Sinne des § 11a Absatz 3 SGB II diene. Daher sei sie nicht als Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit zu werten und dementsprechend seien auch keine Absetzungen hiervon vorzunehmen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Kassel, S 10 AS 658/17, 29.01.2019
Hessisches Landesozialgericht, L 6 AS 94/20, 18.05.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 52/23.

Terminbericht

Das beklagte Jobcenter konnte mit seiner Revision nicht durchdringen. Die dem Kläger im Juli 2017 vom Personalmanagement der Bundeswehr für eine im Juni 2017 durchgeführte Reservistenübung gezahlten Mindestleistungen sind ebenso wenig wie die Reservistendienstleistungsprämie als Einkommen bei der Berechnung des Alg II im Monat Juli 2017 zu berücksichtigen. Gleichwohl bleibt es bei dem Ausspruch im Urteil des Landessozialgerichts. Der Kläger ist hiergegen nicht in Revision gegangen.

Zwar ist das Landessozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch die Mindestleistungen als Erwerbseinkommen zu qualifizieren sind. Sie unterfallen nicht § 11a Absatz 3 SGB II - sind also keine zweckbestimmten Einnahmen, deren Berücksichtigung so weit erfolgt, wie sie und die Leistungen nach dem SGB II demselben Zweck dienen. Der Kläger war während der Reservistenübung erwerbstätig. Er ging in dieser Zeit einer Tätigkeit nach, die zu Erträgen zur Bestreitung des Lebensunterhalts führte. Das USG2015 ordnet insoweit an, dass die Tätigkeit von Reservisten während einer Übung vergleichbar mit der Besoldung von Berufs- und Zeitsoldaten bezahlt werden soll. Für alle drei Gruppen dienen die Zahlungen für ihre Dienstleistungen der Alimentation. Denn für deren Dauer sind diese Personen an der anderweitigen Sicherung ihres Lebensunterhalts gehindert. Dementsprechend sind von den Mindestleistungen grundsätzlich Absetzungen nach § 11b Absatz 2 und 3 SGB II vor der Anrechnung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall sind die Mindestleistungen und Reservistendienstleistungsprämie jedoch im Monat Juli 2017 - entgegen der angefochtenen Entscheidung des Beklagten - nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Vielmehr wären sie, mit Blick auf die vorangegangenen Ausführungen, als Nachzahlung im Monat August 2017 der Berechnung zugrunde zu legen gewesen. Es handelt sich bei den benannten Leistungen um laufende Einnahmen. Dies folgt aus dem USG2015, das die kalendertägliche Bestimmung der Höhe der Leistungen auf der Grundlage von Tagessätzen anordnet. Insoweit gilt zwar nach § 11 Absatz 2 Satz 1 SGB II grundsätzlich, dass laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen. Auf diesen Zeitpunkt ist gemäß § 11 Absatz 3 Satz 2 SGB II auch für die gesetzlich als einmalige Einnahmen qualifizierten Nachzahlungen abzustellen. Dabei handelt es sich um Zahlungen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden. Dies ist hier der Fall, denn die Zahlungen der Mindestleistungen und Reservistendienstleistungsprämie hätten nach dem USG2015 im Juni 2017 erfolgen müssen. Allerdings greift nach § 11 Absatz 3 Satz 3 SGB II dann die Regel, dass in dem Fall, in dem für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, die einmaligen Einnahmen in der Gestalt der Nachzahlungen im Folgemonat - hier im Monat August 2017 - berücksichtigt werden.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 52/23.

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