Verhandlung B 3 KR 15/22 R
Krankenversicherung - Vergütungsanspruch - qualifizierte Krankentransportleistungen - Fahrten zwischen zwei Krankenhausbetriebsstätten
Verhandlungstermin
22.02.2024 13:00 Uhr
Terminvorschau
D. R. K. Rettungsdienst S.-B. gGmbH ./. AOK Baden-Württemberg, beigeladen: S.-B. Klinikum V.-S. GmbH
Im Streit steht ein Vergütungsanspruch für erbrachte qualifizierte Krankentransportleistungen im November und Dezember 2015.
Die Klägerin erbringt nach dem Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg (RDG) neben Leistungen der Notfallrettung aufgrund einer Genehmigung auch qualifizierte Krankentransportleistungen in einem Landkreis. Sie schloss für den streitigen Zeitraum mit der beklagten Krankenkasse Vereinbarungen zur Vergütung von Krankentransporten und über das Benutzungsentgelt für einen Rettungswagen. Die Beigeladene ist Trägerin eines als Plankrankenhaus zugelassenen Klinikums im Landkreis, das über eine weitere Betriebsstelle dort verfügt. Die Fachabteilungen sind nur entweder an dem einen oder dem anderen Standort eingerichtet. Die beiden Standorte liegen je nach Fahrstrecke etwa 17 bis 20 Kilometer auseinander.
Im November und Dezember 2015 transportierte die Klägerin in drei Fällen auf der Grundlage entsprechender Verordnungen von Krankenhausärzten und Anforderungen der Beigeladenen bei der Leitstelle Versicherte der Beklagten von einem Standort des Krankenhauses zum anderen, an dem sie weiterbehandelt wurden. Sie stellte diese Transporte der Beigeladenen in Rechnung. Anders als in der Praxis zuvor zahlte die Beigeladene hierauf nur noch unter Vorbehalt an die Klägerin, weil sie nicht mehr sich, sondern die Beklagte für verpflichtet hielt; bei den Krankentransporten zwischen ihren beiden Standorten handele es sich um Verlegungsfahrten im Sinne des § 60 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB V, für die die Beklagte vergütungspflichtig sei. Nachdem die Klägerin mit ihrer Rechtsauffassung in Musterverfahren gegen die Beigeladene vor den Zivilgerichten unterlegen war, die einen Vergütungsanspruch mangels zivilrechtlicher Rechtsbeziehungen abgelehnt hatten, zahlte sie die unter Vorbehalt geleistete Vergütung an die Beigeladene zurück und stellte die streitigen Krankentransportleistungen nunmehr der Beklagten in Rechnung. Diese lehnte die Zahlung ab, weil innerklinische Krankentransporte keine Verlegungsfahrten in ein anderes Krankenhaus im Sinne des § 60 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB V seien; ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte bestehe hierfür nicht, vielmehr seien die Transporte zwischen den Standorten der Beigeladenen als allgemeine Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen abgegolten.
Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte weiter. Das Sozialgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 265,02 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen: Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs seien die Regelungen des RDG in Verbindung mit den Vereinbarungen zwischen Klägerin und Beklagter. Dieser Vergütungsanspruch korrespondiere mit einem entsprechenden Anspruch der Versicherten gegen ihre Krankenkasse nach § 60 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 60 Absatz 1 Satz 1 SGB V. Zwar handele es sich hier nicht um Verlegungsfahrten in ein anderes Krankenhaus im Sinne des § 60 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB V, für sonstige Fahrten im Zusammenhang mit stationären Krankenhausbehandlungen enthalte § 60 SGB V indes keine einschränkenden Regelungen; insoweit verbleibe es bei den hier erfüllten Voraussetzungen des § 60 Absatz 1 Satz 1 SGB V, wonach die Krankenkasse die Kosten übernehme, wenn die Fahrten im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig seien.
Mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 60 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB V. Innerklinische Krankentransporte seien von dieser Regelung nicht erfasst und für eine Kostentragungspflicht der Krankenkassen bei solchen Transporten bedürfe es einer ausdrücklichen Regelung, an der es fehle.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Reutlingen, S 1 KR 3340/18, 08.01.2020
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 5 KR 522/22, 27.07.2022
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Terminbericht
Die Revision der Beklagten war erfolgreich. Entgegen den Entscheidungen der Vorinstanzen ist sie nicht verpflichtet, die streitigen qualifizierten Krankentransporte der Klägerin zu vergüten.
Eine Vergütung von erbrachten Krankentransportleistungen durch die Krankenkasse nach Maßgabe des § 133 Absatz 1 SGB V und auf dessen Grundlage mit dem Krankentransportunternehmen geschlossener Vereinbarungen setzt grundsätzlich einen Sachleistungsanspruch von Versicherten auf die Übernahme von Fahrkosten für diese Krankentransportleistungen voraus (§ 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 und 3, § 69 Absatz 1 SGB V). Die Voraussetzungen dieses Anspruchs bestimmen sich nach § 60 SGB V. Danach übernimmt die Krankenkasse unter anderem die Fahrkosten bei Leistungen, die stationär erbracht werden, bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus aber nur, wenn diese aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist (§ 60 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 SGB V).
Der gesetzliche Sachleistungsanspruch von Versicherten, denen bereits vollstationäre Leistungen in einem Krankenhaus erbracht werden, ist danach unter weiteren Voraussetzungen auf Verlegungsfahrten in ein anderes Krankenhaus begrenzt. Für innerklinische (krankenhausinterne) Krankentransporte sieht § 60 SGB V keinen Sachleistungsanspruch von Versicherten vor und scheidet ein Vergütungsanspruch eines Krankentransportunternehmens gegen die Krankenkasse für erbrachte Leistungen eines innerklinischen Krankentransports nach § 133 SGB V aus. Krankentransporte in einem Krankenhaus vollstationär aufgenommener Versicherter von einem zum anderen Standort dieses Krankenhauses zur stationären Weiterbehandlung dort sind der Krankenhausbehandlung zugeordnet, die nach § 39 Absatz 1 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen umfasst, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (Gesamtbehandlungsverantwortung des Krankenhauses). Für solche innerklinischen Krankentransporte sind die diese Transportleistungen veranlassenden und in Anspruch nehmenden Krankenhäuser den Krankentransportunternehmen auf zivilrechtlicher Rechtsgrundlage vergütungspflichtig.
Diese Vergütungen sind Krankenhäusern nicht gesondert von Krankenkassen zu erstatten. Für allgemeine Krankenhausleistungen unter Einschluss der vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter (§ 2 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 2 Krankenhausentgeltgesetz) werden zulasten von Krankenkassen Fallpauschalen abgerechnet, die auch vom Krankenhaus veranlasste innerklinische Krankentransporte erfassen (§§ 7 bis 9 Krankenhausentgeltgesetz).
Nach diesen Maßstäben scheidet hier ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse nach §§ 133, 60 SGB V aus. Die streitigen qualifizierten Krankentransporte von in einem Standort des beigeladenen Plankrankenhauses (§ 108 Nummer 2 SGB V) stationär aufgenommener Versicherter zu einem anderen Standort dieses Krankenhauses zur stationären Weiterbehandlung dort waren keine Verlegung in ein anderes Krankenhaus zu einer neuen stationären Behandlung im Sinne des insoweit abschließenden § 60 Absatz 2 Satz 1
Nummer 1 SGB V, sondern Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen in der Gesamtbehandlungsverantwortung der Beigeladenen, die von der Beklagten mit Fallpauschalen entgolten worden sind. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass diese Krankentransporte von Krankenhausärzten zulasten der Beklagten verordnet worden waren. Die auf landesvertraglicher Grundlage den Krankenhausärzten ermöglichte Verordnung von Krankenbeförderungen erweitert nicht den Leistungsumfang des § 60 SGB V. Zudem war die Rechtswidrigkeit dieser Verordnungen für die Klägerin erkennbar, die innerklinische Krankentransportleistungen zuvor von der Beigeladenen vergütet erhalten hatte und dieser weiter in Rechnung stellte. Auch die streitigen Transporte waren der Klägerin von der Beigeladenen zu vergüten, wozu der Senat sie als privates Krankenhausunternehmen wegen der entsprechenden Begrenzungen des § 75 Absatz 5 SGG nicht verurteilen kann.
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