Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 7/22 R

Rentenversicherung - Fremdrentenrecht - Kolchosenmitglied - Beitragszeit - Anrechnungszeit - Arbeitsunfähigkeit

Verhandlungstermin 22.02.2024 13:30 Uhr

Terminvorschau

N. S. ./. DRV Rheinland

Im Streit steht noch die Anerkennung von Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz im Zeitraum vom 18. Juni 1985 bis zum 31. Juli 1985.

Die im Jahr 1958 geborene Klägerin ist als Spätaussiedlerin nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannt. Sie lebte bis zu ihrer Übersiedelung im Juni 1993 auf dem Gebiet der heutigen Kirgisischen Republik. Ausweislich ihres Arbeitsbuches war sie von März 1977 bis Mai 1993 als Bäuerin Mitglied einer Kolchose. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten stellte Zeiten nach dem Fremdrentengesetz fest, nicht aber für den streitbefangenen Zeitraum. Auf einen im September 2013 gestellten Überprüfungsantrag mit dem Begehren, die Zeiten der Mitgliedschaft in der Kolchose durchgehend als nachgewiesene Beitragszeiten anerkannt zu erhalten, und auf eine Auskunft der Klägerin, sie habe aufgrund von Krankheit unter anderem im Juni und Juli 1985 nicht gearbeitet, erging ein neuer Vormerkungsbescheid. Darin stellte die Beklagte unter anderem den streitbefangenen Zeitraum als "krank/Gesundheitsmaßnahme ohne Beitragszahlung" fest. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg.

Das Sozialgericht hat der auf Feststellung von weiteren Beitragszeiten gerichteten Klage unter anderem im streitbefangenen Zeitraum stattgegeben. Die Kolchose habe zugunsten der Klägerin durchgehend Beiträge gezahlt, selbst im Fall von Beschäftigungslücken zum Beispiel bei Arbeitsunfähigkeit. Der Anerkennung von Beitragszeiten stehe auch kein Ausschlusstatbestand im Fremdrentenrecht entgegen, wonach Entgeltpunkte nicht zu ermitteln seien. Es handele sich um echte Beitragszeiten und nicht um Anrechnungszeiten. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, für den streitbefangenen Zeitraum seien nach dem Fremdrentengesetz keine Beitragszeiten, sondern Anrechnungszeiten zu berücksichtigen. Eine Gleichstellung mit im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten komme nicht in Betracht, wenn der Betroffene keinerlei Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt oder auch keinen sonstigen (zumindest vergleichbaren) Versicherungstatbestand nach dem SGB VI erfüllt habe. 

Verfahrensgang:
Sozialgericht Duisburg, S 34 R 789/14, 28.03.2018
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 14 R 280/18, 23.04.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 3/24.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war erfolgreich und die Klage insoweit abzuweisen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, weitere Beitragszeiten nach dem Fremdrentenrecht vorzumerken.

Zwar wurden zugunsten der Klägerin als Kolchosmitglied für das Jahr 1985 durchgehend Beiträge zu einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen gezahlt. Die im streitbefangenen Zeitraum zurückgelegten Zeiten gelten jedoch nicht als Beitragszeiten im Sinne von § 15 Absatz 1 Satz 1 Fremdentengesetz, weil die Klägerin krankheitsbedingt keinerlei Arbeitsleistung erbracht hat. Selbst wenn für solche Anrechnungszeiten Beiträge an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Herkunftsgebiet gezahlt worden sind, werden dafür nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 Fremdrentengesetz Entgeltpunkte nicht ermittelt. Nach § 15 Absatz 3 Satz 3 Buchstabe c Fremdrentengesetz gelten diese Zeiten nicht als Beitragszeiten. Dieser Ausschlusstatbestand findet auch Anwendung auf die hier streitige Vormerkung von Zeiten der tatsächlichen Beitragsleistung nach § 15 Absatz 1 Fremdrentengesetz. Gegen die Vormerkung von Beitragszeiten zugunsten der Klägerin spricht zudem der Eingliederungsgedanke im Fremdrentenrecht, wonach in die Bundesrepublik übergesiedelte Vertriebene und Spätaussiedler rentenrechtlich so gestellt werden sollen, als ob sie im Bundesgebiet beschäftigt gewesen wären. Hätte die Klägerin ihre Tätigkeit im streitbefangenen Zeitraum im Bundesgebiet ausgeübt, wären für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nur Anrechnungszeiten anerkannt worden. Mit der erst zum 1. Januar 2002 eingeführten Regelung in § 29 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 Fremdrentengesetz soll zudem eine Gleichbehandlung der Fremdrentengesetz-Berechtigten im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise erreicht werden. Zeiten unter anderem der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit werden auch dann ausschließlich als Anrechnungszeiten behandelt, wenn für diese Zeiten in einzelnen Herkunftsgebieten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 3/24.

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