Bundessozialgericht

Verhandlung B 8 AY 2/23 R

Asylbewerberleistungsrecht - stationäre psychiatrische Behandlung - Leistungen bei Krankheit - sonstige Leistung zur Sicherung der Gesundheit - örtliche Zuständigkeit

Verhandlungstermin 29.02.2024 10:30 Uhr

Terminvorschau

T. A. ./. Landkreis Hildesheim, beigeladen: Landkreis Nienburg/Weser

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und reiste im Jahr 2002 in Deutschland ein. Eine nach erfolglosem Asylverfahren für Juni 2003 geplante freiwillige Ausreise in die Türkei fand nicht statt, weil er mit Verdacht auf eine Anpassungsstörung im Rahmen einer Abschiebesituation mit Suizidalität und einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund einer Inhaftierung in der Türkei mehrfach seit 2003 in stationärer Behandlung war. Er verfügte ab September 2003 zur Klärung seiner Reisefähigkeit über eine Duldung, die fortdauernd bis Oktober 2013 verlängert wurde. Die Duldung war mit der Auflage versehen, im Gebiet des beigeladenen Landkreises Wohnsitz zu nehmen; tatsächlich lebte der Kläger im Kreisgebiet des Beklagten. Vom 12. Februar 2013 bis 19. Juni 2013 war er unter anderem wegen einer schweren Episode einer rezidivierenden depressiven Störung mit latenter Suizidalität in eine psychiatrische Klinik aufgenommen. Die Übernahme der Kosten in Höhe von 27 801,40 Euro lehnte der Beklagte ab. Das Sozialgericht hat den Beigeladenen zur Übernahme der Kosten verurteilt. Auf die Berufung des Beigeladenen hat das Landessozialgericht die Zuständigkeit des Beklagten bejaht. Gegen ihn bestehe auf Grundlage der festgestellten Diagnosen ein Anspruch auf Übernahme der Kosten, wobei dahinstehen könne, ob eine „akute Krankheit“ im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz vorgelegen habe. Jedenfalls sei die stationäre Behandlung des Klägers als sonstige Leistung zur Sicherung der Gesundheit im Sinne des § 6 Absatz 1 Asylbewerberleistungsgesetz unerlässlich gewesen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung der Zuständigkeitsregelung in § 10a Asylbewerberleistungsgesetz sowie einen Verstoß gegen § 4 und § 6 Asylbewerberleistungsgesetz.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hildesheim, S 42 AY 50/17, 19.10.2018
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, L 8 AY 47/18, 06.10.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 4/24.

Terminbericht

Der Senat hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen. Das Landessozialgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Freistellungsanspruch wegen der stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 27 801,40 Euro nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusteht. Der Beklagte war für die Erbringung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz der sachlich und örtlich zuständige Träger. Nach der Regelung über die örtliche Zuständigkeit, wie sie bis zum 23. Oktober 2015 galt, kommt es in den Fällen, in denen das Asylverfahren geendet hat und - wie hier - eine asylverfahrensunabhängige Duldung aus personenbezogenen Gründen den Aufenthalt weiter ermöglicht, bei Aufnahme in eine stationäre Einrichtung allein auf den gewöhnlichen Aufenthalt an. Dieser lag auf Grundlage der Feststellungen des Landessozialgerichts im Kreisgebiet des Beklagten. Eine Wohnsitzauflage fingiert einen gewöhnlichen Aufenthalt erst seit Änderung der Rechtslage zum 24. Oktober 2015.

In der Sache erfolgte die Verurteilung zur Freistellung von den Behandlungskosten zu Recht. Nach der vom Senat zugrunde gelegten Auslegung einer “akuten Erkrankung“, wie sie im Terminbericht zum Verfahren B 8 AY 2/23 R im Einzelnen dargestellt ist, lagen auf Grundlage der Feststellungen des Landessozialgerichts sowohl bei Aufnahme als auch während der gesamten stationären Behandlung die Voraussetzungen für eine Leistung bei Krankheit nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz vor. Auf Grundlage der festgestellten Symptome und Diagnosen ist die Würdigung des Landessozialgerichts, die stationäre Behandlung des Klägers sei notwendig gewesen, um den Eintritt eines kritischen Stadiums der bestehenden Erkrankung zu verhindern und seine Eigengefährdung auszuschließen, nicht zu beanstanden.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 4/24.

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