Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 6/23 R

Vertragsarztrecht - vertragspsychotherapeutische Versorgung - Erweiterter Bewertungsausschusses - Beschluss - Strukturzuschlag - Rechtmäßigkeit

Verhandlungstermin 06.03.2024 13:00 Uhr

Terminvorschau

Dipl.-Psych. M.  ./.  Kassenärztliche Vereinigung Hessen, beigeladen: 1. Kassenärztliche Bundesvereinigung, 2. GKV-Spitzenverband
Streitig ist die Höhe der Vergütung psychotherapeutischer Leistungen für die Quartale 1/2013 und 2/2013.

Die Klägerin ist im Bezirk der beklagten Kassenärztliche Vereinigung als Psychologische Psychotherapeutin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen. Das Begehren der Klägerin, die sich insbesondere gegen den - mit Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 22. September 2015 rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 eingeführten - Strukturzuschlag zur Vergütung antrags- und genehmigungspflichtiger psychotherapeutischer Leistungen gewandt hatte, war bereits Gegenstand des Urteils des Senats vom 11. Oktober 2017 zum Aktenzeichen B 6 KA 37/17 R. Der Senat hatte entschieden, dass die mit Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 22. September 2015 für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen eingeführten Vergütungsbestimmungen zum Strukturzuschlag im Wesentlichen nicht zu beanstanden waren.

Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde der Klägerin ist teilweise erfolgreich gewesen (Bundesverfassungsgerichts Beschluss vom 20. März 2023 - 1 BvR 669/18): Zwar war nicht zu beanstanden, dass sich die Höhe des Strukturzuschlags auch im Zeitraum der Rückwirkung des Beschlusses des Bewertungsausschusses - und damit auch in den Quartalen 1/2013 und 2/2013 - nach dem Grad der Auslastung der psychotherapeutischen Praxis richtet und dass die die durchschnittlichen tatsächlichen Personalkosten übersteigenden sogenannten normativen Personalkosten bei der Bewertung der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab nur bei voll ausgelasteten Praxen in vollem Umfang berücksichtigt wurden. Die den Strukturzuschlag betreffenden Gebührenordnungspositionen (35251 und 35252 Einheitlicher Bewertungsmaßstab alte Fassung) waren jedoch mit Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar, soweit beim Grad der Auslastung der Praxis auch im Zeitraum der Rückwirkung allein die erbrachten antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen (Gebührenordnungsposition 35200 bis 35225 Einheitlicher Bewertungsmaßstab alte Fassung) Berücksichtigung gefunden hatten.

Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil des Bundessozialgerichts aufgehoben, soweit dieses auf den mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs beruht und es hat die Sache an das Bundessozialgericht zurückverwiesen. Insoweit hat der Senat erneut zu entscheiden.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Marburg, S 11 KA 8/15, 22.03.2017
Bundessozialgericht, B 6 KA 37/17 R, 11.10.2017
Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 669/18, 20.03.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 6/24.

Terminbericht

Der Senat hat die Beklagte verpflichtet, über die Vergütung der von der Klägerin in den Quartalen 1/2013 und 2/2013 erbrachten antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats nach Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen erneut zu entscheiden. Um den aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2023 (1 BvR 669/18) folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, die sich auf den Zeitraum der rückwirkenden Einführung der sogenannten Strukturzuschläge und damit die Quartale 1/2012 bis 4/2015 beziehen, darf der Bewertungsausschuss die Höhe der Vergütung für die einzelnen antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen zwar weiterhin vom Grad der Auslastung des Psychotherapeuten abhängig machen. Er darf den Grad der Auslastung für diesen Zeitraum aber nicht mehr allein auf der Grundlage der antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen festlegen, sondern muss in diesem Zusammenhang alle vertragsärztlichen beziehungsweise -psychotherapeutischen Leistungen gleichermaßen berücksichtigen. Diese Vorgabe kann auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden.

So könnten die bisher in Form der Strukturzuschläge berücksichtigten normativen Personalkosten vollständig in die Bewertung der Grundvergütung für die antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen (GOP 35200 bis 35225 EBM-Ä aF) einfließen. In diesem Fall würde die (rückwirkende) Differenzierung nach dem Grad der Auslastung des Psychotherapeuten vollständig entfallen. Der Bewertungsausschuss könnte die normativen Personalkosten psychotherapeutischer Praxen aber auch entsprechend dem bisherigen Konzept in Form von Strukturzuschlägen berücksichtigen, deren Höhe vom Grad der Auslastung der Praxis abhängt. Dann müssten in die Ermittlung des Auslastungsgrades aber alle vertragsärztlichen und ‑psychotherapeutischen Leistungen einfließen. Das hätte zur Folge, dass der Bewertungsausschuss die Vollauslastung auch höher als mit den bisher zu Grunde gelegten 36 Wochenstunden bemessen könnte, denn diese in der Rechtsprechung des Senats entwickelte Belastungsgrenze bezog sich ausdrücklich auf die erbrachten antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Der Senat ist in seiner Rechtsprechung immer davon ausgegangen, dass voll ausgelastete Psychotherapeuten neben 36 antrags- und genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Sitzungen weitere vertragsärztliche beziehungsweise -psychotherapeutische Leistungen (etwa probatorische Sitzungen und das Abfassen von Gutachten) erbringen können.

 Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 6/24.

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