Verhandlung B 3 KR 14/23 R
Krankenversicherung - Hilfsmittelversorgung - motorunterstütztes Handkurbelrollstuhlzuggerät
Verhandlungstermin
18.04.2024 13:00 Uhr
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S. T. ./. IKK Südwest
Im Streit steht die Versorgung mit einem motorunterstützten Handkurbelrollstuhlzuggerät durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Der 1961 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger und in einer Ortsgemeinde mit gut 1000 Einwohnern im Westerwald lebende Kläger ist seit einer 1979 bei einem Verkehrsunfall erlittenen Querschnittslähmung mit guter Restfunktion der Arme zur Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit seinem Aktivrollstuhl könne er sich in der Wohnung und im Nahbereich bis circa 30 Meter darum herum mit Greifreifen bewegen, weitere Strecken im bergigen Umfeld seien ihm so nicht möglich. Für weitere Strecken greife er deshalb auf ein vollelektrisches Zuggerät zurück, mit dem er Einkäufe unter anderem in der 6 Kilometer entfernten Kreisstadt oder der Apotheke im anderen Teilort und Fahrten zu seinem 3 Kilometer entfernten Arzt erledige und in sieben Jahren bis zu 40 000 Kilometer zurückgelegt habe.
Den 2020 gestellten Antrag auf Ersatz des defekten vollelektrischen, zwischenzeitlich reparierten Rollstuhlzuggeräts durch ein Zuggerät mit Handkurbel und Motorunterstützung für eine Geschwindigkeit bis zu 25 km/h zum Preis von (zu diesem Zeitpunkt) etwa 6600 Euro zur Unterstützung von Mobilität im Alltag ohne schmerzhafte Zuhilfenahme der Greifreifen lehnte die Beklagte nach Beteiligung des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung ab. Die Versorgung mit sogenannten Vorspannfahrrädern mit Handkurbelantrieb sei im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließlich für Kinder vorgesehen. Ihm werde ein Elektrorollstuhl oder ein Elektrorollstuhlzuggerät ohne Handkurbelbetrieb empfohlen.
Das Sozialgericht hat die Beklagte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Versorgung mit dem begehrten Rollstuhlzuggerät verurteilt: Es diene zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung und beuge zugleich einer Verschlimmerung der Behinderung vor. Zwar verfüge der Kläger bereits über ein Rollstuhlzuggerät mit Motorantrieb. Nur das begehrte Hilfsmittel versetze ihn indes in die Lage, seinen Nahbereich, dessen rechtliche Definition zu überdenken sei, durch eigene Muskelkraft zu erschließen. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Das Rollstuhlzuggerät diene zum Ausgleich der Behinderung, um in zumutbarer und angemessener Weise den Nahbereich im Umfeld der Wohnung erschließen zu können. Dass mit dem Rollstuhlzuggerät auch Wege über den Nahbereich hinaus zurückgelegt werden könnten, stehe dem Anspruch nicht entgegen.
Mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Absatz 1 Satz 1 SGB V). Die mit dem Leistungsbegehren verfolgten Zwecke reichten über die Versorgungsziele hinaus, für die die Krankenkassen aufzukommen hätten. Das vorhandene Hilfsmittel weise bereits eine Ausstattung von 12 km/h auf und das streitgegenständliche Rollstuhlzuggerät eine Motorunterstützung von bis zu 25 km/h. Es überschreite wegen seiner Leistungsfähigkeit das Maß des Notwendigen, da kein Grundbedürfnis bestehe, sich den Nahbereich schneller als mit durchschnittlicher Schrittgeschwindigkeit zu erschließen.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Koblenz, S 13 KR 1009/20, 07.06.2022
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 5 KR 149/22, 05.10.2023
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Terminbericht
Aus den unter Aktenzeichen B 3 KR 13/22 R dargestellten rechtlichen Erwägungen des Senats war auch in diesem Verfahren die Revision der Beklagten unbegründet und hat der Kläger Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel.
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