Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 10/22 R

Rentenversicherung - Hinterbliebenenrente - Neuberechnung - Besitzschutz - Versorgungsausgleich - Abänderung

Verhandlungstermin 18.04.2024 12:30 Uhr

Terminvorschau

H. R. ./. DRV Bund
Der Kläger wendet sich gegen die Neuberechnung seiner großen Witwerrente.

Der Kläger ist Witwer. Seine verstorbene Ehefrau war bereits einmal verheiratet. Zu ihren Gunsten wurden nach der Scheidung ihrer ersten Ehe Rentenanwartschaften ihres früheren Ehemannes in Höhe von monatlich etwa 1323 Deutsche Mark (34,4670 Entgeltpunkte) übertragen. Sie bezog von der Beklagten eine Regelaltersrente, bei der zuletzt 44,0233 Entgeltpunkte zugrunde gelegt wurden. Nach ihrem Tod bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. November 2018 eine große Witwerrente, der sie dieselbe Anzahl an Entgeltpunkten zugrunde legte.

Auf den nach dem Tod der Versicherten gestellten Antrag des früheren Ehemanns änderte das Familiengericht die Entscheidung über den Versorgungsausgleich mit Wirkung zum 1. Dezember 2018 dahingehend ab, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Daraufhin hob die Beklagte den bisherigen Witwerrentenbescheid hinsichtlich der Rentenhöhe ab dem 1. April 2020 auf und berücksichtigte die im Wege des Versorgungsausgleich übertragenen Entgeltpunkte nicht mehr.

Widerspruch und Klage waren erfolglos. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts geändert und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zugunsten des Klägers greife die besitzschützende Regelung des § 88 Absatz 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch. Der Gesetzgeber habe der Sicherung des Lebensstandards auf bisherigem Niveau Vorrang vor einer Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs eingeräumt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision. § 101 Absatz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ermächtige den Rentenversicherungsträger, den Rentenbetrag infolge einer rechtskräftigen Abänderungsentscheidung des Versorgungsausgleichs auch bei Hinterbliebenenrenten herabzusetzen. Anderenfalls werde der ermittelte Wertausgleich sowohl bei dem früheren Ehemann der Verstorbenen als auch bei deren Witwer berücksichtigt.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Köln, S 7 R 972/20, 22.02.2021
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,L 8 R 207/21, 25.08.2021

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 13/24.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die Beklagte hat den Witwerrentenbescheid hinsichtlich der Rentenhöhe zu Recht ab dem 1. April 2020 aufgehoben und die im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen Entgeltpunkte nicht mehr berücksichtigt. Hierzu war sie nach § 101 Absatz 3 SGB VI ermächtigt. Von dem Tatbestandsmerkmal "Rente der leistungsberechtigten Person" wird auch die Hinterbliebenenrente erfasst. Das entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch im SGB VI. Hinterbliebene haben nach §§ 46 ff SGB VI eigene Ansprüche und sind damit leistungsberechtigte Personen. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich zwischen der Verstorbenen und ihrem früheren Ehemann wurde mit Wirkung zum 1. Dezember 2018 dahingehend geändert, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Der von § 88 Absatz 2 Satz 1 SGB VI gewährte Besitzschutz steht dem Abzug der dem ursprünglichen Versorgungsausgleich entstammenden Entgeltpunkte nicht entgegen. Zwar sind die Voraussetzungen der Besitzschutznorm erfüllt. Die Beklagte legte der Hinterbliebenenrente zunächst auch die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte der verstorbenen Versicherten zugrunde. Bei der Bemessung der Rente wurde insofern auch nicht zwischen besitzgeschützten und nicht besitzgeschützten Entgeltpunkten unterschieden. Der Besitzschutz der Hinterbliebenenrenten geht jedoch nicht so weit, dass eine nachträgliche Änderung schlechthin ausscheidet. Dies folgt bereits aus der Gesetzesbegründung zu § 88 SGB VI. Gerade in der besonderen Situation einer Abänderung des Versorgungsausgleichs sieht § 101 SGB VI eine spezielle Möglichkeit der Reduzierung von Entgeltpunkten vor. Durch diese Regelung werden die familienrechtlichen Gestaltungen im Rentenversicherungsrecht nachvollzogen. Dass sich dabei - wie hier - erhebliche Einschnitte für die Hinterbliebenen ergeben können, folgt aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung. Würde man die zivilrechtliche Entscheidung nicht berücksichtigen, würde die Hinterbliebenenrente einen größeren Schutz genießen als die Versichertenrente zu Lebzeiten der Versicherten.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 13/24.

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