Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 5/23 R

Vertragsarztrecht - Schiedsspruch - Bundesschiedsamt - Differenzkostenregelung - Anwendungsbereich - Arzneimittelregress - unzulässige Verordnung - unwirtschaftliche Verordnung

Verhandlungstermin 05.06.2024 13:00 Uhr

Terminvorschau

AOK Bayern ./. Prüfungsstelle Ärzte Bayern, beigeladen: 1. Kassenärztliche Vereinigung Bayern, 2. Gemeinschaftspraxis M.
Auch in diesem Verfahren geht es um den Anwendungsbereich der in § 106b Absatz 2a SGB V geregelten Begrenzung der Nachforderungen gegenüber Ärzten wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung. Die Beteiligten streiten um die Höhe eines Arzneimittelregresses. Die Beigeladene zu 2., eine kinderärztliche Gemeinschaftspraxis, verordnete im Fall von Versicherten der klagenden Krankenkasse die Arzneimittel Spasmo Mucosolvan Saft und Mucospas Saft. Nachdem die Klägerin einen Antrag auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen gestellt hatte, setzte die beklagte Prüfungsstelle Regresse gegenüber der Gemeinschaftspraxis fest, da die verordneten Arzneimittel nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig seien. Nach § 106b Absatz 2a SGB V seien allerdings nicht die vollen Kosten der Arzneimittel anzusetzen. Die Beklagte rechnete als wirkstoffgleiche und zulässige Verordnungsalternative die Verordnung von Ambroxol gegen und setzte die Differenz als Regress fest.

Die hiergegen gerichtete Klage der Krankenkasse, die geltend gemacht hat, dass die vollen Kosten des Arzneimittels zurückgefordert werden müssten, hat das Sozialgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Bei der Berechnung des Rückforderungsbetrags habe die Beklagte zu Unrecht die Differenzkostenmethode angewandt. Zwar spreche der Wortlaut der Norm dafür, dass auch unzulässige Verordnungen erfasst würden. Gleichwohl seien in teleologischer Reduktion der Vorschrift unzulässige Verordnungen vom Anwendungsbereich ausgenommen. Es könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber ohne nähere Begründung eine Abkehr vom normativen Schadensbegriff beabsichtigt habe. Bei unzulässigen Verordnungen bestehe nach ständiger Rechtsprechung kein Raum für eine Ermessensausübung bei der Schadensbestimmung. Dies beruhe auf der Bedeutung des vertragsärztlichen Ordnungssystems für die Wirtschaftlichkeit und die Qualität der vertragsärztlichen Versorgung.

Dagegen wendet sich die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion lägen nicht vor. Vielmehr habe der Gesetzgeber mit der Regelung eine grundsätzliche Abkehr vom normativen Schadensbegriff im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beabsichtigt. Dies folge bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift.

Verfahrensgang:
Sozialgericht München, S 38 KA 145/21, 23.06.2022
Bayerisches Landessozialgericht, L 12 KA 31/22, 08.02.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 18/24.

Terminbericht

Die Revision der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung war erfolglos. Zutreffend hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts und die angefochtenen Prüfbescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet.
Eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bedurfte es nach § 106c Absatz 3 Satz 6 SGB V nicht, weil die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar aus der Arzneimittel-Richtlinie folgt. Im Ergebnis zutreffend hat das Landessozialgericht auch entschieden, dass die Differenzschadensberechnung nach § 106b Absatz 2a SGB V bei der Festsetzung des Regressbetrages nicht anzuwenden ist. Die in § 106b Absatz 2a SGB V geregelte Beschränkung auf die Kostendifferenz zwischen wirtschaftlicher und tatsächlich verordneter Leistung gilt nicht für unzulässige Verordnungen. Anders als das Landessozialgericht geht der Senat allerdings davon aus, dass dies nicht das Ergebnis einer teleologischen Reduktion des § 106b Absatz 2a SGB V ist, sondern dass bereits der Wortlaut der Vorschrift unklar ist. Unter Berücksichtigung insbesondere systematischer Gesichtspunkte kann § 106b Absatz 2a SGB V nur in dem Sinne ausgelegt werden, dass lediglich unwirtschaftliche Verordnungen im engeren Sinne erfasst werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Terminbericht zum Verfahren B 6 KA 10/23 R verwiesen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 18/24.

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