Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 1/23 R

Arbeitsförderung - Kurzarbeitergeld - Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen - Nachmeldung von Arbeitnehmern - Anerkennungsbescheid - Verfristung

Verhandlungstermin 05.06.2024 10:30 Uhr

Terminvorschau

M. A. GmbH ./. Bundesagentur für Arbeit
Streitig sind Ansprüche auf Kurzarbeitergeld von 17 bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmern für Mai und Juli 2020, die sie der beklagten Bundesagentur für Arbeit im April 2021 gemeldet hat, sowie der Anspruch der Klägerin auf pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin setzte für Mai bis Dezember 2020 im gesamten Betrieb - Lackierarbeiten an Flugzeugen und Bau von Flugzeughallen - Kurzarbeit fest und zeigte dies der Beklagten an. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Juni 2020 (sogenannter Anerkennungsbescheid) das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld fest. In dem Bescheid legte die Beklagte ferner dar, ab dem 1. Mai 2020 werde den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld bewilligt, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllten (§ 98 SGB III). Kurzarbeitergeld sei jeweils nachträglich für den Kalendermonat des Ausfalls innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten zu beantragen.

Die Beklagte bewilligte alsdann auf die innerhalb dieser Fristen eingegangenen Anträge Kurzarbeitergeld für die darin benannten Arbeitnehmer sowie die pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Monate Mai und Juli 2020. Mit Anträgen vom 28. April 2021 legte die Klägerin alsdann Kurzarbeitergeld-Abrechnungslisten für Mai und Juli 2020 vor, die Angaben zu 17 weiteren Arbeitnehmern enthielten. Die Beklagte lehnte die Leistung von Kurzarbeitergeld und Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen unter Benennung der 17 Arbeitnehmer ab, weil die Anträge für sie verspätet gestellt worden seien.

Mit ihrer Klage hiergegen ist die Klägerin vor dem Sozialgericht erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat die Berufung gegen die Entscheidung des Sozialgerichts zurückgewiesen. Der Antrag auf Kurzarbeitergeld sei vollständig und fristgemäß - für alle betroffenen Arbeitnehmer - zu stellen. Dies sei hier für die 17 Nachgemeldeten nicht erfolgt. Anders als die Klägerin annehme, müsse der Antrag, ob formlos oder mit einem Formular der Beklagten gestellt, mindestens enthalten: Die Festlegung der Ausfallzeit, die Bezugsfrist sowie die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen der betroffenen Arbeitnehmer. Mit dem Formular der Beklagten sei auch entgegen der Ausführungen der Klägerin keineswegs der Eindruck erweckt worden, konkrete Angaben zu den betroffenen Arbeitnehmern seien für die Antragstellung obsolet. Auch aus § 16 Absatz 3 SGB I könne die Klägerin keine Rechte herleiten. Ihrer Hinweispflicht sei die Beklagten im Anerkennungsbescheid sowie in den Merkblättern zum Kurzarbeitergeld genügend nachgekommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landessozialgericht zugelassenen Revision und rügt die Verletzung von § 325 Absatz 3 SGB III.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hamburg, S 14 AL 490/21, 06.07.2022
Landessozialgericht Hamburg L 2 AL 31/22, 23.11.2022

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 17/24.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin war als unbegründet zurückzuweisen. Ansprüche auf Kurzarbeitergeld der insgesamt 17 nachgemeldeten, bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer und auf pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen der Klägerin für die Monate Mai und Juli 2020 bestehen nicht.

Zwar hat die beklagte Bundesagentur für Arbeit auf Anzeige der Klägerin (§ 95 Satz 1 Nummer 4 SGB III) für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls mit Entgeltausfall sowie das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen des § 95 Satz 1 Nummern 1 und 2 SGB III auf der ersten Stufe des Prüfungsverfahrens durch einen sogenannten Anerkennungsbescheid festgestellt. Aus diesem kann die Klägerin jedoch keine Rechte für die nachgemeldeten Arbeitnehmer ableiten. Insbesondere beinhaltet dieser Bescheid keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X zum Erlass eines Kurzarbeitergeld-Bewilligungsbescheids. Er enthält lediglich eine ausdrücklich durch § 99 Absatz 3 SGB III vorgeschriebene Elementenfeststellung im Hinblick auf die Tatbestandsmerkmale des erheblichen Arbeitsausfalls und der betrieblichen Voraussetzungen. Das Verfahren gibt der Arbeitgeberin/ dem Arbeitgeber nur insoweit Sicherheit.

Für die von der Klägerin ursprünglich benannten Arbeitnehmer hat die Beklagte folglich auch erst auf der zweiten Stufe auch das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen bejaht und ihnen Kurzarbeitergeld für die streitigen Monate bewilligt. Ob die nachgemeldeten Arbeitnehmer ebenfalls die persönlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld gemäß § 95 Satz 1 Nummer 3 SGB III erfüllen, kann dahinstehen. Es fehlt für diese bereits an einer fristgerechten Beantragung der Leistungen durch die Klägerin.

Voraussetzung für die Bewilligung auf der zweiten Stufe ist ein fristgerechter Antrag. § 323 Absatz 1 SGB III schreibt die Erbringung von Leistungen der Arbeitsförderung mit wenigen - hier nicht bedeutsamen - Ausnahmen auf Antrag vor. Zwar kann der Antrag grundsätzlich formlos gestellt werden und ist als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung der Auslegung im Hinblick auf das wirklich Gewollte zugänglich. Aus der Anspruchsinhaberschaft der Arbeitnehmer folgt jedoch das Erfordernis der Benennung der Arbeitnehmer in der Ausschlussfrist des § 325 Absatz 3 SGB III. Danach ist der Antrag auf Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu stellen. Um den Anspruch dem einzelnen Arbeitnehmer zuordnen und die persönlichen Voraussetzungen für den Anspruch im Sinne des § 95 Satz 1 Nummer 3 SGB III prüfen zu können, bedarf es zwingend (nur) Angaben, die die Identifizierung der betroffenen Arbeitnehmer und des Leistungsmonats ermöglichen. Auf die Abgabe entsprechender oder erforderlichenfalls weiterer Angaben muss die Arbeitsagentur gegebenenfalls von Amts wegen hinwirken. Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings dann, wenn schon auf Grund der Angaben des Arbeitgebers keine Zweifel daran bestehen, für wen und welchen Zeitraum die Leistungen (rechtzeitig) beantragt werden.

Vorliegend hat nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des Landessozialgerichts die Klägerin mit den eingereichten Abrechnungslisten Daten zu konkreten Arbeitnehmern zeitgerecht übersandt. Die nachgemeldeten Arbeitnehmer waren hierauf nicht verzeichnet, sondern sind erst im April 2021 nach Ablauf der Fristen - also verspätet - benannt worden.

Anhaltspunkte für Wiedereinsetzungsgründe im Sinne des § 27 SGB X sind nicht ersichtlich.

Die pauschalierte Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen folgt dem Schicksal des Kurzarbeitergeld-Anspruchs.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 17/24.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK