Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 BA 2/22 R

Versicherungs- und Beitragsrecht - Sozialversicherungspflicht - Sozialversicherungsfreiheit - Ärztin - Gesundheitstag - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit

Verhandlungstermin 12.06.2024 10:00 Uhr

Terminvorschau

D. H. GmbH ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: 1. F. S., 2. DAK-Gesundheit, 3. DAK-Gesundheit-Pflegekasse, 4. Bundesagentur für Arbeit
Die Klägerin bietet die Organisation und Durchführung so genannter "Gesundheitstage" für Unternehmen an. Konkret schloss sie mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Durchführung eines Diabetes-Screening für dessen Arbeitnehmer. Vereinbart wurde die Durchführung von Reihenuntersuchungen an bestimmten Tagen für jeweils acht Stunden in den Räumlichkeiten des Unternehmens durch spezialisierte Ärzte, die Dokumentation und statistische Auswertung der erhobenen Befunde und die Anlieferung und Abholung der notwendigen Untersuchungstechnik. Vermittelt über eine Arztvermittlungsplattform beauftragte die Klägerin die beigeladene Ärztin mit der Durchführung der zugesagten ärztlichen und dokumentarischen Leistungen. Hierzu überließ die Klägerin ihr das erforderliche Equipment, eine Beschreibung des Untersuchungsablaufs sowie Dokumentationsunterlagen. Entlohnt wurde die Beigeladene über einen Stundensatz. Ihre Einsätze rechnete sie unmittelbar mit der Klägerin ab. Letztere zahlte der Plattformbetreiberin eine Vermittlungsprovision. Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte in einem Statusfeststellungsverfahren fest, dass die Beigeladene während ihrer konkreten Einsätze aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen habe.

Das Sozialgericht hat die Bescheide aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts geändert. Die Beigeladene sei zwar wegen Unständigkeit nicht nach dem Recht der Arbeitsförderung, ansonsten aber in den anderen Versicherungszweigen aufgrund Beschäftigung versicherungspflichtig gewesen. Es habe kein Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Plattformbetreiberin bestanden. Daher liege insoweit auch keine Arbeitnehmerüberlassung vor. Die Beigeladene sei vielmehr zur Erfüllung der vertraglichen Aufgaben der Klägerin eingesetzt worden und damit zwangsläufig in deren Organisations- und Weisungsstruktur eingegliedert gewesen. Wegen des Geschäftsmodells der Klägerin hätte es für die ausnahmsweise Annahme einer selbstständigen Tätigkeit gewichtiger Gründe bedurft. Solche lägen hier nicht vor.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 7 Absatz 1 SGB IV. Eine Eingliederung in ein Geschäftsmodell dürfe nicht mit einer Eingliederung in einen Betrieb gleichgesetzt werden. Die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts mache eine selbstständige Tätigkeit von Diensten höherer Art in einem Subunternehmerverhältnis generell unmöglich. Ferner habe das Landessozialgericht den für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Anhaltspunkten keine hinreichende Bedeutung beigemessen und unzulässig eine Vorgewichtung zugunsten einer abhängigen Beschäftigung vorgenommen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Kiel, S 44 BA 528/18, 19.11.2018
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 10 BA 52/18, 07.12.2021

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Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beigeladene während ihrer Einsätze für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in den noch streitbefangenen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war. Bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände, in die das Landessozialgericht zu Recht auch die Vertragsbeziehungen der Klägerin sowie der Beigeladenen zur Plattformbetreiberin eingestellt und zutreffend gewürdigt hat, überwiegen die Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung bei der Klägerin.

Die Beigeladene war während ihrer Einsätze in einer ihre Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in die von der Klägerin vorgegebenen Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen zur Durchführung der Reihenuntersuchungen eingegliedert. Entscheidend hierfür spricht, dass die vertragliche Vereinbarung der Klägerin mit dem Drittunternehmen der beigeladenen Ärztin keinen nennenswerten Freiraum für eine abweichende Gestaltung ihrer Tätigkeit einräumten. Ort, Zeit und Inhalt ihrer Tätigkeit waren dadurch verbindlich vorgegeben. Die erforderlichen Betriebsmittel hat die Klägerin der Beigeladenen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Deren Tätigkeit beschränkte sich mithin im Wesentlichen auf die Verwertung ihrer persönlichen Arbeitskraft im Sinne einer dienenden Teilhabe an einer von der Klägerin gegenüber dem Unternehmen gesamtverantworteten und vorgeprägten Dienstleistung. Angesichts der Vergütung nach Stundensätzen war die Beigeladene insbesondere weder einem nennenswerten Unternehmerrisiko ausgesetzt noch konnte sie durch unternehmerisches Geschick das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten beeinflussen. Dass die Beigeladene auch für andere tätig werden durfte, spricht nicht für ihre Selbstständigkeit im Rahmen der beiden einzelnen Aufträge. Weil nach dem Gesamtbild die Indizien für eine abhängige Beschäftigung überwiegen, kamen dem davon abweichenden Willen der Vertragsparteien und auch der Vergütungshöhe hier keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Eine rechtswidrige Vorgewichtung des Landessozialgerichts zulasten einer selbstständigen Tätigkeit ist nicht zu erkennen. Es hat die einzelnen das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägenden Indizien im konkreten Fall - wie erforderlich - gegeneinander abgewogen. Dass es der Eingliederung der Beigeladenen dabei im Ergebnis ein höheres Gewicht eingeräumt hat als den für Selbstständigkeit sprechenden Indizien, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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