Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 14/22 R

Rentenversicherung - Altersrente für schwerbehinderte Menschen - Regelaltersrente - Rentenhöhe - Aussparung

Verhandlungstermin 27.06.2024 11:00 Uhr

Terminvorschau

D. B. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente.

Auf der Basis einer Zusicherung gewährt die Beklagte ihr seit dem 1.5.2001 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von monatlich 315,57 Euro, obwohl die Klägerin die hierfür erforderliche Wartezeit nicht erfüllt. Der gewährte Betrag blieb in der Folgezeit unverändert. Die Beklagte hat die Rente von sämtlichen Rentenanpassungen ausgenommen und der Klägerin bis heute auch keinen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten wegen Kindererziehung (sogenannte Mütterrente) gewährt. Im April 2006 erreichte die Klägerin das Eintrittsalter für die Gewährung einer Regelaltersrente.

Mit Bescheid vom 19.5.2018 berechnete die Beklagte die Rente der Klägerin anlässlich der jährlichen Rentenanpassung neu. Es verblieb bei dem bisherigen Zahlbetrag. Es gebe keinen rechtmäßigen Ausgangsbetrag, der erhöht werden könne.

Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine höhere Rente ab dem 1.7.2018 unter Berücksichtigung des Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ihre drei Kinder sowie unter Zugrundelegung des jeweils aktuellen Rentenwerts (West) zu gewähren. Zwar sei die Zusicherung der Beklagten, die der Rentengewährung zugrunde liege, rechtswidrig, sodass die Höhe der rechtmäßigen Leistung eigentlich "Null" betragen müsse und eine Rentenanpassung damit dauerhaft ausgeschlossen sei. Es sei aber zu berücksichtigen, dass die Klägerin zwischenzeitlich die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Regelaltersrente erfülle. Diese sei wegen der Besonderheiten der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Anwendung des § 48 Absatz 3 SGB X als maßgebliche, mit der tatsächlich gewährten Altersrente abzugleichende rechtmäßige Leistung heranzuziehen. § 48 Absatz 3 SGB X solle nur die Vertiefung materiellen Unrechts verhindern, aber nicht unabhängige, gänzlich rechtmäßige Ansprüche in die Aussparung einbeziehen und den Leistungsempfänger sanktionieren.

Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 48 Absatz 3 SGB X beziehungsweise § 34 Absatz 4 SGB VI (in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung). Der Übergang von einer bereits zuerkannten Altersrente zu einer anderen Rente aus eigener Versicherung sei ausgeschlossen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Freiburg, S 11 R 4014/18, 14.02.2019
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 7 R 1186/19, 28.7.2022

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Terminbericht

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte zur Leistung einer höheren Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Juli 2018 unter Berücksichtigung der Rentenanpassungen und eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung verurteilt.

Zwar durfte die Beklagte grundsätzlich die Erhöhungen, die sich seit dem Erlass ihres auf der rechtswidrigen Zusicherung beruhenden Bewilligungsbescheids über die Rente für schwerbehinderte Menschen ergeben haben, aussparen nach § 48 Absatz 3 Satz 1 und 2 SGB X. Änderungen der rechtlichen Verhältnisse waren nicht zu berücksichtigen, solange kein oder nur ein Anspruch auf einen niedrigeren Rentenzahlbetrag bestand. Im Regelfall bezieht sich die vorzunehmende Vergleichsberechnung auf ein und dieselbe Leistung. Die Besonderheiten der gesetzlichen Rentenversicherung führen aber in dieser speziellen Konstellation dazu, dass als Vergleichsmaßstab der Betrag einer (fiktiven) Regelaltersrente der Klägerin heranzuziehen ist. Ohne Bewilligung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen hätte die Klägerin ab dem 1. Mai 2006 einen Anspruch auf eine - regelmäßig angepasste - Regelaltersrente gehabt, die ab dem 1. Juli 2014 einschließlich eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung gewährt worden wäre.

Dieses Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Aussparung. Mit § 48 Absatz 3 SGB X soll verhindert werden, dass die rechtswidrig zu hohe Zahlung durch eine Veränderung zu Gunsten des Betroffenen immer noch höher wird. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin Anspruch auf Regelaltersrente gehabt hätte, wird das Unrecht, das durch die rechtswidrig bewilligte Rente entstanden ist, nicht weiter vertieft. Die Beklagte würde vielmehr über die eigentliche Aussparung hinaus profitieren, wenn die Abschmelzung zur dauerhaften Zahlung eines materiell-rechtlich zu niedrigen Betrags führen würde.

Die Regelung des § 34 Absatz 4 SGB VI alte Fassung wird damit nicht umgangen. In Konstellationen wie bei der Klägerin geht es nicht - worauf § 34 Absatz 4 SGB VI alte Fassung abzielt - darum, Dispositionen zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu verhindern. Es wird vielmehr hinsichtlich des Rentenzahlbetrags der Zustand hergestellt, der bei von Anfang an rechtmäßigem Verhalten der Beklagten bestehen würde.

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