Verhandlung B 4 AS 11/23 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss - Ausbildungsförderung - Studium - Beurlaubung - nachgeholte Antragstellung
Verhandlungstermin
11.07.2024 11:00 Uhr
Terminvorschau
C. S. ./. Jenarbeit - Jobcenter der Stadt Jena
Der Kläger war seit dem Wintersemester 2010 an einer Universität immatrikuliert. Das Studentenwerk bewilligte ihm für Oktober 2011 bis März 2013 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Die Universität beurlaubte den Kläger auf seine Anträge hin für das Sommersemester 2012 und für das Wintersemester 2012/2013 jeweils rückwirkend wegen Krankheit. Daraufhin hob das Studentenwerk die Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen für die Zeit ab April 2012 auf und ordnete deren Erstattung an.
Am 18. April 2013 beantragte der Kläger bei dem beklagten Jobcenter Leistungen nach dem SGB II für April 2012 bis März 2013. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Der Antrag wirke nicht auf die Zeit vor dem 1. April 2013 zurück.
Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen, das Landessozialgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der nach dem Wortlaut des § 28 SGB X erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung liege nicht vor.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 28 SGB X. Eine Kausalität zwischen der Geltendmachung der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Absehen von der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II liege stets vor, wenn eine förderungsfähige Ausbildung begonnen worden, einem Betroffenen daher Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bewilligt worden und er somit gemäß § 7 Absatz 5 SGB II regelmäßig von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen sei.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Altenburg, S 36 AS 1340/14, 09.02.2018
Thüringer Landessozialgericht, L 7 AS 330/18, 28.04.2022
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Terminbericht
Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hat für April 2012 bis März 2013 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II.
Der Senat konnte dahinstehen lassen, ob der Kläger in diesem Zeitraum gemäß § 7 Absatz 5 Satz 1 SGB II von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen war. Jedenfalls lag mit dem Antrag vom 18. April 2013 kein rechtzeitiger Leistungsantrag für diesen Zeitraum vor. Der Antrag vom 18. April 2013 wirkte nicht gemäß § 28 Satz 1 SGB X auf den hier streitbefangenen Zeitraum zurück. Nach dessen Wortlaut muss der Leistungsempfänger deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt zunächst einen Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung voraus. Darüber hinaus muss dieser Zusammenhang auf einer bewussten Nichtbeantragung beruhen.
An dieser bewussten Entscheidung, die im Zeitpunkt der Beantragung der "anderen Sozialleistung" vorliegen muss, fehlt es hier. Nach der Feststellung des Landessozialgerichts hat der Kläger nicht von der Beantragung der Grundsicherungsleistungen abgesehen, weil er einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat. Insofern unterscheidet sich der Fall in tatsächlicher Hinsicht von demjenigen, über den der Senat im Urteil vom 6. Juni 2023 (B 4 AS 86/21 R) zu befinden hatte. Diese Feststellung des Landessozialgerichts ist für den Senat bindend, da sie vom Kläger nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffen worden ist. Sie steht im Übrigen auch mit den rechtlichen Vorgaben in Einklang. Zwar steht der Umstand, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II ausgeschlossen ist, weil die Voraussetzungen des § 7 Absatz 5 Satz 1 SGB II erfüllt sind, der Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht entgegen. Umgekehrt dient § 28 SGB X entgegen der Auffassung der Revision aber auch nicht ohne Weiteres dazu, stets Nachteile auszugleichen, die dadurch entstehen, dass aufgrund veränderter Umstände die zunächst vorliegenden Voraussetzungen für eine Leistung rückwirkend wegfallen.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 25/24.