Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 14/23 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Kindergeldnachzahlung - einmalige Einnahme

Verhandlungstermin 11.07.2024 13:00 Uhr

Terminvorschau

B. T. ./. Jobcenter Kreis Rendsburg-Eckernförde
Die Klägerin und ihr 22jähriger Sohn erhielten laufende Leistungen nach dem SGB II vom beklagten Jobcenter. Für ihren Sohn bezog die Klägerin Kindergeld, dessen Weiterbewilligung ab September 2017 die Familienkasse zunächst ablehnte. Die laufenden Zahlungen wurden erst im Dezember 2017 wieder aufgenommen. Eine Nachzahlung für die Monate September bis November 2017 wurde der Klägerin am 6. Dezember 2017 gutgeschrieben. Die zwischenzeitliche Ablehnung der Kindergeldzahlung teilte die Klägerin dem Beklagten mit, nicht aber die rückwirkende Wiederbewilligung.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin Arbeitslosengeld II für den Bewilligungszeitraum August 2017 bis Juli 2018 zunächst unter Anrechnung des Kindergelds. Nach der Mitteilung über dessen Einstellung erfolgte die Bewilligung ohne Anrechnung von Kindergeld. Noch im November 2017 bewilligte ihr der Beklagte einen höheren Regelbedarf ab Januar 2018. Später erfolgten rückwirkende Erhöhungen der Leistungen für Unterkunft und Heizung. 

Im März 2019 erhielt der Beklagte Kenntnis von den Kindergeldzahlungen ab Dezember 2017. Nach Anhörung der Klägerin hob er die Leistungsbewilligung für Januar 2018 teilweise auf und forderte von ihr eine Erstattung in Höhe von 143,72 Euro.

Das Sozialgericht hat die Klage hiergegen abgewiesen und die Berufung zugelassen. Diese hat das Landessozialgericht zurückgewiesen: Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung sei § 40 SGB II in Verbindung mit § 330 SGB III und § 48 SGB X. Anzuknüpfen sei an die letzte Regelbedarfsbewilligung vor der erneuten Bewilligung von Kindergeld. Spätere Bescheide hätten nur die Leistungen für Unterkunft und Heizung geändert. Durch die Wiederaufnahme der Kindergeldzahlungen im Dezember 2017 sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Kindergeldnachzahlung sei als einmalige Einnahme jedoch erst im Januar 2018 zu berücksichtigen und der Klägerin zuzurechnen gewesen, soweit sie den Bedarf ihres Sohnes überstiegen habe. Die Nachzahlung sei nicht auf sechs Monate aufzuteilen gewesen. Das Spannungsverhältnis zwischen § 11 Absatz 1 Satz 4 und 5 SGB II einerseits und Absatz 3 Satz 4 andererseits sei dahingehend aufzulösen, dass Kindergeld zuvörderst und vollständig für den Bedarf des Kindes einzusetzen sei.

Mit der vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 11 Absatz 3 Satz 4 SGB II. Sofern - wie es beim Sohn der Klägerin der Fall gewesen sei - durch den Zufluss einmaliger Einnahmen der Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen im Zuflussmonat entfiele, ordne die Norm deren Aufteilung an, ohne nach der Art des Einkommens zu differenzieren. Etwas anderes gelte auch nicht mit Blick auf das Monatsprinzip, weil die Norm gerade eine Ausnahme hiervon anordne, um den völligen Wegfall der Kranken- und Pflegeversicherung und zusätzlichen Verwaltungsaufwand, zum Beispiel beim Wechsel in die Familienversicherung, zu vermeiden.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Schleswig, S 16 AS 68/20, 25.01.2021
Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht, L 6 AS 20/21, 25.05.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 25/24.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Beklagte durfte die Leistungsbewilligung für Januar 2018 teilweise aufheben und Erstattung verlangen.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 SGB II in Verbindung mit § 48 SGB X und § 330 SGB III, denn mit der Wiederaufnahme laufender Kindergeldzahlungen ab Dezember 2017 und der Kindergeldnachzahlung im selben Monat war eine wesentliche Änderung gegenüber dem Bescheid vom 25. November 2017 eingetreten, durch den letztmalig eine Festsetzung der von der Aufhebung allein betroffenen Leistungen für Regelbedarfe erfolgte. Allerdings war die Nachzahlung aufgrund von § 11 Absatz 3 Satz 3 SGB II erst im Januar 2018 zu berücksichtigen.

Das Kindergeld war in dem Umfang, wie es der Beklagte berücksichtigt hat, Einkommen der Klägerin. Kindergeldrechtlich steht Kindergeld dem kindergeldberechtigten Elternteil zu und ist nach § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II als Einkommen grundsätzlich bei diesem zu berücksichtigen. Allerdings erfolgt nach § 11 Absatz 1 Satz 5 SGB II eine Zurechnung zum jeweiligen Kind, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Der darüber hinausgehende sog Kindergeldüberhang bleibt jedoch Einkommen des Kindergeldberechtigten. Diese Zuordnungsgrundsätze gelten auch für Kindergeldnachzahlungen.

Die Kindergeldnachzahlung war nicht nach § 11 Absatz 3 Satz 4 SGB II auf sechs Monate aufzuteilen, weil im Januar 2018 der Leistungsanspruch des Sohnes der Klägerin entfiel. Diese Regelung zum Berücksichtigungszeitpunkt lässt die spezielle Regelung der personellen Zuordnung von Kindergeld nach § 11 Absatz 1 Satz 5 SGB II unberührt. Hierfür spricht entscheidend das mit der (teilweisen) Zuordnung von Kinderzuschlag und Kindergeld zum Einkommen des jeweiligen Kindes verfolgte Ziel, dessen Abhängigkeit von Sozialgeld und Arbeitslosengeld II zu beseitigen. Diesem Ziel liefe es zuwider, wenn in Fällen wie diesem eine Aufteilung auf sechs Monate dazu führte, dass das Kind im Leistungsbezug verbliebe.

Dem steht nicht entgegen, dass § 11 Absatz 3 Satz 4 SGB II ein Ende der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung verhindern soll, wenn durch einmalige Einnahmen der Leistungsanspruch im Zuflussmonat entfällt. Dieser Gedanke aus den ersten Jahren des SGB II hat an Bedeutung verloren. So werden die anfallenden Beiträge seit 2009 nach § 26 SGB II im notwendigen Umfang übernommen, wenn allein aufgrund der Beiträge erneut Hilfebedürftigkeit einträte und nicht ohnehin Familienversicherung besteht oder die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht wegen der rückwirkenden Aufhebung von Leistungen erhalten bleiben.

Von dem Einkommen der Klägerin war die Versicherungspauschale nur einmalig im Januar 2018 abzusetzen, nicht einmal pro Monat der Nachzahlung. § 11b SGB II in Verbindung mit § 6 Arbeitslosengeld II-Verordnung, wonach "von dem Einkommen" ein Pauschbetrag in Höhe von 30 Euro "monatlich" für Versicherungen abzusetzen ist, folgt bereits dem Wortlaut nach dem Prinzip, dass einmalige Einnahmen, auch Nachzahlungen, in dem Monat zu berücksichtigen und um eine Versicherungspauschale zu mindern sind, in dem sie (normativ) zufließen.

 Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 25/24.

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