Bundessozialgericht

Verhandlung B 1 KR 33/23 R

Krankenversicherung - Vergütung - stationäre Krankenhausbehandlung - Afibrinogenämie - Mitteilung - Erstattungsanspruch

Verhandlungstermin 28.08.2024 11:30 Uhr

Terminvorschau

Klinikum R. H. GmbH  ./.  AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin behandelte einen bei der beklagten Krankenkasse Versicherten im Juni 2017 stationär. Nach den am Aufnahmetag erfolgten zwei Notfallrevisionen zur Entlastung beidseitiger Schädelhämatome sank dessen Fibrinogen-Wert auf 1,5 g/l und damit unter den Referenzwert von 2,1 bis 4 g/l. Die Klägerin nahm eine Substitution vor, so dass der Fibrinogen-Wert einen Tag später wieder im Normbereich lag. Die Klägerin berechnete der Beklagten für die Behandlung des Versicherten 38 115,67 Euro nach der Fallpauschale DRG A13B und kodierte hierfür unter anderem als Nebendiagnose ICD-10-GM D65.0 (erworbene Afibrinogenämie). Die Beklagte beglich den Rechnungsbetrag und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit einer Überprüfung der Nebendiagnosen. Am 26. März 2018 übersandte die Beklagte ihre leistungsrechtliche Entscheidung an die Klägerin mit folgendem Wortlaut: “Die Abrechnung wird beanstandet. Die Nebendiagnose D65.0 ist zu streichen. Somit ist die DRG A13D abzurechnen. Bitte schreiben Sie uns den Betrag gut und schicken uns eine korrigierte Abrechnung. Erhalten wir diese nicht innerhalb der 4 Wochenfrist nach § 10 Prüfverfahrensvereinbarung, werden wir den Fall gemäß MDK-Gutachten abrechnen. Im April 2018 rechnete die Beklagte mit einem Betrag in Höhe von 8 841,71 Euro auf.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 8 841,71 Euro nebst Zinsen verurteilt. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe den Erstattungsanspruch entgegen § 8 Satz 1 der Prüfverfahrensvereinbarung 2016 nicht mitgeteilt. Das Landessozialgericht hat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Erstattungsanspruch lasse sich für die Klägerin aus den mitgeteilten wesentlichen Gründen für die Rechnungskürzung gemäß § 8 Satz 2 der Prüfverfahrensvereinbarung hinreichend konkretisieren. Eine Afibrinogenämie habe nicht vorgelegen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 17c Absatz 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz in Verbindung mit § 8 Satz 1 und § 10 Prüfverfahrensvereinbarung 2016 sowie § 109 Absatz 4 Satz 3 SGB V, §§ 7 und 9 Krankenhausentgeltgesetz, § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz in Verbindung mit der Fallpauschalenvereinbarung 2017.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Hannover, S 86 KR 753/18, 21.10.2021
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, L 16 KR 522/21, 17.05.2022

Die Vorschau zu dem Verhandlungstermin des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 30/24.

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hatte insoweit Erfolg, als der Senat das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen hat. Das Landessozialgericht hat zwar zu Recht entschieden, dass die Nebendiagnose ICD-10-GM D 65.0 (erworbene Afibrinogenämie) nicht zu kodieren und daher die Fallpauschale A13D abzurechnen war. Der Senat konnte aber nicht abschließend über die Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Aufrechnung entscheiden. Die Wirksamkeit der Aufrechnung setzt nach § 10 Satz 1 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2016 die fristgerechte Mitteilung des bezifferten Erstattungsanspruchs nach § 8 PrüfvV 2016 voraus. Die bloße Bezifferbarkeit anhand der von der Krankenkasse mitgeteilten abschließenden Entscheidung ist nicht ausreichend. Dem Berufen der Klägerin auf die fehlende Bezifferung des Erstattungsanspruchs könnte jedoch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen. Hat ein Krankenhaus in der Vergangenheit jedenfalls wiederholt Aufrechnungen einer Krankenkasse ohne Bezifferung des Erstattungsanspruchs akzeptiert, kann es treuwidrig sein, wenn es sich ohne vorherige Ankündigung erstmals nach Ablauf der Ausschlussfrist auf das Fehlen der fristgerechten Bezifferung des Erstattungsanspruchs beruft. Die Ankündigung muss ausdrücklich oder konkludent erkennen lassen, dass eine Beanstandung nicht nur in einem Einzelfall vorliegt, sondern für die Zukunft alle Abrechnungsfälle betreffen soll. Hierzu hat das Landessozialgericht keine Feststellungen getroffen.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 30/24.

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