Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 5/23 R

Arbeitslosenversicherung - Arbeitslosengeld - Bemessung - Provisionszahlungen - Krankengeldbezug

Verhandlungstermin 24.09.2024 13:00 Uhr

Terminvorschau

H.-J. M. ./. Bundesagentur für Arbeit
Der Kläger macht einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung erhaltener Provisionszahlungen geltend.

Der Kläger war ab August 2010 als Immobilienvermittler sozialversicherungspflichtig mit einer Brutto-Vergütung von 1300 Euro beschäftigt. Ein Anspruch auf Provisionszahlungen war arbeitsvertraglich “… nach Rechtskraft der Verträge und Auftragsbestätigung fällig, aber erst nach Baubeginn und Vorlage der Finanzierungszusage…“. Abrechnung und Auszahlung der Provisionen sollten quartalsweise erfolgen.

Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgerechte Kündigung der Arbeitgeberin vom 18. Mai 2016 zum 31. Juli 2016; zugleich wurde der Kläger unter Fortzahlung der Vergütung mit sofortiger Wirkung von der Erbringung der Arbeit freigestellt. Ab 1. Juni bis 12. Oktober 2016 und ab 18. November 2016 bis 29. Juni 2017 bezog der Kläger ausschließlich Krankengeld, vom 12. Oktober bis 17. November 2016 Übergangsgeld von der Deutschen Rentenversicherung. Am 30. Juni 2017 meldete sich der Kläger persönlich bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Für Juli 2016 bescheinigte die Arbeitgeberin unter anderem wegen Provisionszahlungen und einer Urlaubsabgeltung ein sozialversicherungspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von rund 26.000 Euro. Die Auszahlung der Provisionen erfolgten Ende Oktober beziehungsweise Anfang November 2016. Diese bezogen sich auf im Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 vermittelte Eigentumswohnungen. Finanzierungszusagen lagen der Arbeitgeberin nach den Feststellungen des Landessozialgerichts nicht vor.

Die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld ab 30. Juni 2017, der Höhe nach ohne Berücksichtigung des für Juli 2016 bescheinigten Entgelts. Der Bemessungszeitraum umfasse die Entgeltabrechnungszeiträume vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2016, nicht aber Juli 2016. In diesem Monat sei kein Entgelt, sondern Krankengeld bezahlt worden. Die im Juli 2016 abgerechnete Einmalzahlung dürfe damit nicht in die Bemessung des Arbeitslosengeldes einfließen. Während die Klage vor dem Sozialgericht ohne Erfolg geblieben ist, hat das Landessozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 30. Juni 2017 bis 29. Juni 2019 höheres Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung von im Juli 2016 abgerechneten Provisionen zu bewilligen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Senatsentscheidung vom 30. August 2018 (Aktenzeichen: B 11 AL 15/17 R) abgestellt, wonach auch Arbeitsentgelt, das während einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeit erzielt werde, nach Maßgabe des in § 150 SGB III zur Anwendung kommenden versicherungsrechtlichen Beschäftigungsbegriffs bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen sei.

Mit ihrer vom Landessozialgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 150, 151 SGB III. Da der Kläger im Juli 2016 zwar freigestellt gewesen sei, aber - anders als in dem vom Senat bereits entschiedenen Fall - Krankengeld und gerade kein Arbeitsentgelt bezogen habe, falle dieser Monat nicht mehr in den Bemessungszeitraum, mit der Folge, dass das für Juli 2016 bescheinigte Arbeitsentgelt nicht bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen sei.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Lübeck, S 47 AL 159/17, 19.02.2020
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 3 AL 20/20, 17.02.2023

Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 35/24.

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war im Sinne der Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht erfolgreich. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger ab 30. Juni 2017 Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld zusteht.

Dem Kläger stünde ein höherer Arbeitslosengeldanspruch zu, wenn und soweit im Bemessungszeitraum für beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechnete Entgeltabrechnungszeiträume Ansprüche auf Provisionen entstanden waren. Der Bemessungszeitraum erstreckte sich vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2016. Mit diesem Tag hat das Beschäftigungsverhältnis des Klägers im versicherungsrechtliche Sinn geendet. Der Umstand, dass der Kläger vom 18. Mai bis 31. Juli 2016 von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt war, genügt allein nicht, um von einer Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses im versicherungsrechtlichen Sinn auszugehen. Denn ab dem 1. Juni 2016 hat der Kläger kein Arbeitsentgelt, sondern ausschließlich Krankengeld bezogen, womit ein neuer Versicherungspflichttatbestand begründet worden ist. Abweichend von der vom Landessozialgericht in Bezug genommenen Senatsentscheidung vom 30. August 2018 liegt kein zeitgleicher Bezug von Arbeitsentgelt und Kranken(tage)geld vor, der zur Aufrechterhaltung des versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses bis zum arbeitsvertraglich vereinbarten Beschäftigungsende geführt hatte.

Die vom Arbeitgeber im Juli 2016 bescheinigten Provisionen, denen Kaufverträge über Immobilien aus den Jahren 2014 und 2015 zugrunde lagen, sind keine Einmalzahlung. Sie sind vielmehr als nachgezahltes, beitragspflichtiges laufendes Arbeitsentgelt zu bewerten und bei der Bemessung des Arbeitslosengelds zu berücksichtigen, soweit ein Anspruch hierauf im Bemessungszeitraum entstanden und einem beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen ist. Nach Maßgabe der zur Bestimmung des Zeitpunkts der Anspruchsentstehung heranzuziehenden beitragsrechtlichen Maßstäbe entstand der Anspruch zu dem Zeitpunkt, zu dem die Provision arbeitsvertraglich geschuldet war. Auf den Zeitpunkt der Abrechnung oder Auszahlung durch die Arbeitgeberin kommt es insoweit nicht an. Arbeitsvertraglich war die Entstehung des Provisionsanspruchs unter anderem abhängig vom Baubeginn und von der Vorlage von Finanzierungszusagen. Es dürfte zwar naheliegend sein, dass die notariellen Kaufverträge erst abgeschlossen worden sind, als entsprechende Zusagen vorlagen. Dies wird das Landessozialgericht jedoch noch festzustellen haben. Wäre dies der Fall, dürfte allerdings nur ein geringer Teil der Provisionsansprüche im Bemessungszeitraum entstanden sein. Der Höhe nach begrenzt wäre ihre Berücksichtigung bei der Bemessung des Arbeitslosengelds aber in jedem Fall durch die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze.

Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 35/24.

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