Verhandlung B 12 KR 5/22 R
Versicherungs- und Beitragsrecht - Krankenversicherung der Rentner - freiwillige Versicherung - Optionsrecht
Verhandlungstermin
05.11.2024 14:15 Uhr
Terminvorschau
D. S. ./. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse
beigeladen: Pflegekasse bei der AOK Bayern - Die Gesundheitskasse
Der Kläger bezog ab Ende 2001 eine Erwerbsminderungsrente und war bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versichert. Er wurde am 1. April 2002 infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 (1 BvL 16/96 und andere - BVerfGE 102, 68) versicherungspflichtig in der Krankenversicherung der Rentner, übte aber sein gesetzlich eingeräumtes Beitrittsrecht zur freiwilligen Krankenversicherung aus. Von September 2006 bis Dezember 2018 war er versicherungspflichtig beschäftigt. Die Erwerbsminderungsrente wurde zeitweise anteilig, im Übrigen wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze gar nicht ausgezahlt. Seit 1. Januar 2019 bezieht der Kläger eine Altersrente. Den Antrag, seine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner festzustellen, lehnte die beklagte Krankenkasse ab.
Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, den Kläger ab 1. Januar 2019 in der Krankenversicherung der Rentner zu versichern. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger sei an die nicht widerrufliche Wahl der freiwilligen Krankenversicherung im Jahr 2002 gebunden. Zudem sei er von der Beklagten in einem Merkblatt und einem Schreiben auf die Folgen der Ausübung des Beitrittsrechts hingewiesen worden.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der § 5 Absatz 1 Nummer 11 und § 190 Absatz 11a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch. Das Merkblatt und das Standardschreiben habe er nicht erhalten. Jedenfalls sei nicht klargestellt worden, unter welchen Voraussetzungen die freiwillige Versicherung für ihn vorteilhaft sei.
Verfahrensgang:
Sozialgericht München, S 60 KR 1658/19, 21.07.2021
Bayerisches Landessozialgericht, L 4 KR 496/21, 08.09.2022
Sämtliche Vorschauen zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in der Terminvorschau 38/24.
Terminbericht
Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Feststellung der Krankenversicherungspflicht als Rentner für die Zeit ab 1. Januar 2019 rechtmäßig abgelehnt. Der Kläger ist seitdem in der obligatorischen Anschlussversicherung freiwillig versichert. Die Pflichtversicherung als Rentner ist kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil der Kläger 2002 sein nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 (1 BvL 16/96 und andere) über die Unvereinbarkeit der Zugangsvoraussetzungen zur Krankenversicherung der Rentner mit Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz eingeführtes Optionsrecht zum Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung ausgeübt hat. Dem steht eine zwischenzeitlich eingetretene Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung nicht entgegen. Eine Beschränkung des Ausschlusses von der Krankenversicherung der Rentner auf eine ununterbrochene, durch das Beitrittsrecht begründete freiwillige Mitgliedschaft sieht das Gesetz nicht vor. Der Kläger wird dadurch gegenüber pflichtversicherten Rentnern nicht ungerechtfertigt benachteiligt. Die Wahrnehmung des Optionsrechts ging zunächst mit einer geringeren Beitragslast gegenüber Pflichtversicherten einher. Dem Nachteil der gegenwärtigen, sich an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierenden Beitragspflicht in der freiwilligen Krankenversicherung stehen die Vorteile der Kündigungsmöglichkeit und des Vorrangs der Familienversicherung gegenüber. Gegenüber anderen freiwillig versicherten Rentnern ist der Kläger privilegiert, weil er keine Mindest- , sondern nur einkommensbezogene Beiträge zu zahlen hat.
Sämtliche Berichte zu den Verhandlungsterminen des Senats an diesem Sitzungstag finden Sie auch in dem Terminbericht 38/24.