Bundessozialgericht

Verhandlung B 4 AS 16/23 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommen - Vermögen - Einspeisevergütung - Photovoltaikanlage

Verhandlungstermin 28.11.2024 13:00 Uhr

Terminvorschau

1. M. S., 2. M. W. ./. Jobcenter Bautzen
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Einnahmen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage im Zeitraum August bis Dezember 2011.

Die Kläger sind Miteigentümer eines Eigenheims und betreiben eine Photovoltaikanlage. Der Netzbetreiber zahlte an den Kläger monatliche Abschläge auf die Einspeisevergütung. Das Finanzamt setzte hierfür Einkünfte aus Gewerbetrieb fest. Auf einen Weiterbewilligungsantrag der Kläger bewilligte das beklagte Jobcenter zunächst vorläufig Arbeitslosengeld II unter anderem für August bis Dezember 2011 und berücksichtigte hierbei die Einspeisevergütung als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben.

Das Landessozialgericht hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Die vorläufig erfolgten Bewilligungen würden inzwischen als abschließend festgesetzt gelten. Die streitgegenständlichen Bescheide seien teilweise rechtswidrig, verletzten die Kläger aber nicht in ihren Rechten. Tatsächlich hätten sie höheres Einkommen gehabt als vom Beklagten berücksichtigt. Freibeträge für Einkommen aus Erwerbstätigkeit seien nicht zu berücksichtigen.

Mit ihren vom Landessozialgericht zugelassenen Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung der §§ 11, 11b und 12 SGB II sowie von Artikel 3 Absatz 1 GG. Die Kläger sind der Ansicht, die Einspeisevergütung sei - jedenfalls teilweise - wie die Photovoltaikanlage dem Vermögen zuzuordnen. Sollte es sich um Einkommen handeln, seien neben den Erwerbstätigenfreibeträgen die steuerrechtlichen Abschreibungen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Dresden, S 16 AS 3753/16, 04.07.2017
Sächsisches Landessozialgericht, L 4 AS 834/17, 29.08.2023

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Terminbericht

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nach dem von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleich nur noch Leistungen für Dezember 2011.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung der Einnahmen aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage. Bei der Einspeisevergütung handelt es sich um zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 SGB II. Abzuziehen ist allein die so genannte Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 Arbeitslosengeld II-V). Die steuerrechtlich im Wege der Abschreibung zu berücksichtigende Abnutzung der Anlage ist grundsicherungsrechtlich keine mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgabe.

Von der Einspeisevergütung sind keine Erwerbstätigenfreibeträge im Sinne des § 11b Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 3 SGB II abzusetzen. Das SGB II verwendet den Begriff der Erwerbstätigkeit bereichsspezifisch. Erwerbstätig ist danach nur jemand, der unter Einsatz und Verwertung seiner Arbeitskraft eine wirtschaftlich verwertbare Leistung gegen Entgelt erbringt, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Bestandteil des die Erwerbstätigkeit prägenden Austauschverhältnisses ist zudem die Fremdnützigkeit der Arbeit, die gegen Entgelt geleistet wird. Die Verwaltung eigenen Vermögens erfolgt demgegenüber nicht fremdnützig, sondern eigennützig.

Bei Einnahmen aus einer Photovoltaikanlage handelt es sich schon deshalb nicht um "Einkommen aus Erwerbstätigkeit", weil es an der Fremdnützigkeit der Tätigkeit fehlt. Die mit Hilfe der Anlage erzielten Erträge sind vielmehr das Ergebnis einer privaten Vermögensverwaltung. Zudem haben die Kläger keine Arbeitskraft aufgewandt. Der für jede Vermögensverwaltung erforderliche Zeitaufwand genügt hierfür nicht. Unerheblich ist insoweit, dass die Finanzverwaltung den Betrieb der Photovoltaikanlage als unternehmerische Tätigkeit eingestuft hat.

Grundrechte der Kläger stehen weder der Berücksichtigung der Einspeisevergütung als Einkommen noch der Nichtberücksichtigung der Erwerbstätigenfreibeträge entgegen. Insbesondere liegt keine Verletzung des Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz vor.

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