Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 10/23 R

Krankenversicherung - Krankengeld - Ruhen - Arbeitsunfähigkeit - verspätete Meldung

Verhandlungstermin 12.12.2024 12:00 Uhr

Terminvorschau

A. B. ./. IKK classic
Im Streit steht das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld.

Der hauptberuflich selbständige Kläger ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit ab 22. Mai 2018 begehrte er Krankengeld. Nachdem die Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigung vom 2. Juli 2018 (bis 6. Juli 2018) bei der Beklagten am 11. Juli 2018 und die vom 9. Juli 2018 (bis 20. Juli 2018) am 30. Juli 2018 eingegangen waren, informierte die Beklagte den Kläger über die Voraussetzungen des Krankengelds einschließlich der rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit (Schreiben vom 1. August 2018) und bewilligte ihm Krankengeld ab 30. Juli 2018. Für die Zeit bis 29. Juli 2018 stellte sie das Ruhen des Anspruchs wegen verspäteter Meldungen der Arbeitsunfähigkeit fest (Bescheid vom 10. August 2018). Den Widerspruch des Klägers hiergegen, mit dem er Krankengeld ab 4. Juli 2018 begehrte, wies die Beklagte zurück.

Das Sozialgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 4. bis 29. Juli 2018 Krankengeld zu gewähren. Einem Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld nach § 49 Absatz 1 Nummer 5 SGB V stehe entgegen, dass die nicht rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich auf Umstände zurückzuführen sei, die in den Verantwortungsbereich der Beklagten fielen, weil sie den Kläger erst mit Schreiben vom 1. August 2018 über die Voraussetzungen seines Krankengeldanspruchs informiert hatte. Das Landessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von Krankengeld vom 4. bis 22. Juli 2018 verurteilt worden ist. Der unstreitige Krankengeldanspruch des Klägers habe in dieser Zeit geruht, nicht aber in der Zeit vom 23. bis 29. Juli 2018, weil die entsprechende Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigung rechtzeitig bei der Beklagten eingegangen sei. In der Zeit zuvor sei der Kläger seiner Obliegenheit zur rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen, und er sei von dieser hier auch nicht wegen in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fallender Umstände entlastet gewesen. Auch sonst bestünden keine Anhaltspunkte für eine Ausnahmekonstellation, zumal auf den Durchschlägen der Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen für den Versicherten auf die Beachtung der Fristen hingewiesen worden sei.

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung insbesondere von § 49 Absatz 1 Nummer 5 SGB V. Die Obliegenheit des Versicherten zur rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit setze erst ein, wenn die Krankenkasse auch subjektiv davon ausgehe, dass die objektiv vorliegenden Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankengeld gegeben seien. Dies sei im hier noch streitigen Zeitraum nicht der Fall gewesen. Zudem habe die Beklagte gegen ihre Aufklärungs- und Beratungspflicht verstoßen, weil sie ihn nicht früher auf die Meldeobliegenheit hingewiesen habe. Bei rechtzeitiger Aufklärung und Beratung auf die verspätet am 11. Juli 2018 eingegangene Bescheinigung vom 2. Juli 2018 hätte er noch die Bescheinigung vom 9. Juli 2018 rechtzeitig übermitteln können.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Mannheim, S 10 KR 149/19, 30.03.2021
Landessozialgericht Baden-Württemberg, L 11 KR 1735/21, 28.02.2023

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Terminbericht

Die Revision war erfolglos. Im noch streitigen Zeitraum vom 4. bis 22. Juli 2018 ruhte der im Übrigen unstreitige Anspruch des Klägers auf Krankengeld.

Nach § 49 Absatz 1 Nummer 5 SGB V in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Ausgehend hiervon gingen die Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigungen vom 2. Juli 2018 (bis 6. Juli 2018) und vom 9. Juli 2018 (bis 20. Juli 2018) nicht rechtzeitig bei der Beklagten ein.

Für das Eintreten der gesetzlichen Rechtsfolge des Ruhens des Krankengeldanspruchs wegen der nicht rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit kommt es nicht darauf an, ob die Krankenkasse subjektiv vom Vorliegen eines objektiv bestehenden Anspruchs auf Krankengeld ausgeht. Ein solches Erfordernis lässt sich weder dem Wortlaut des § 49 Absatz 1 Nummer 5 SGB V noch dem Sinn und Zweck dieser Regelung entnehmen. Sie soll nach der Rechtsprechung des Senats der Krankenkasse die zeitnahe Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen ermöglichen, ohne die Voraussetzungen einer verspätet gemeldeten Arbeitsunfähigkeit im Nachhinein aufklären zu müssen, um beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten zu vermeiden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit beitragen können. Soll danach die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit die zeitnahe Prüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankengeld ermöglichen, kann die subjektive Überzeugung der Krankenkasse vom Vorliegen dieser Voraussetzungen weder grundsätzlich noch ausnahmsweise Voraussetzung der Obliegenheit des Versicherten zur rechtzeitigen Meldung einer Arbeitsunfähigkeit sein. Maßgeblich ist für den Versicherten wie die Krankenkasse allein die objektive Rechtslage.

Anderes ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Einschränkungen beim Krankengeld sind am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld bei Verletzung der Obliegenheit zur rechtzeitigen Meldung einer Arbeitsunfähigkeit, das weder den Anspruch auf Krankengeld noch die Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld entfallen lässt, ist weder unverhältnismäßig noch die Meldeobliegenheit mit Blick auf die in der Rechtsprechung des Senats bereits anerkannten Ausnahmen von ihr unzumutbar.

Dem Ruhen steht hier auch nicht ein Beratungsfehler der Beklagten entgegen. Zu einer Spontanberatung nach nicht rechtzeitigem Eingang einer Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung war sie rechtlich nicht verpflichtet, zumal auf den Durchschlägen der Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen für den Versicherten auf die Beachtung der Fristen hingewiesen worden ist. Es würde die Ruhensregelung des § 49 Absatz 1 Nummer 5 SGB V auch konterkarieren, wenn das gesetzlich angeordnete Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld bei Nichteinhaltung der Obliegenheit zur rechtzeitigen Meldung der Arbeitsunfähigkeit stets voraussetzte, dass die Krankenkasse auf eine nicht rechtzeitig eingegangene Meldung hinzuweisen und über die gesetzliche Meldeobliegenheit zu beraten hätte.

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