Verhandlung B 3 P 1/24 R
Pflegeversicherung - Pflegeleistungen - Pflegegrad 2 - Mukoviszidose
Verhandlungstermin
12.12.2024 13:30 Uhr
Terminvorschau
M. B. ./. Pflegekasse bei der AOK Bayern
Im Streit stehen Pflegeleistungen nach dem Pflegegrad 2 ab 1. März 2019.
Bei dem 2016 geborenen und bei der Beklagten pflegeversicherten minderjährigen Kläger besteht eine in 2019 festgestellte angeborene Mukoviszidose. Auf seinen Antrag auf ambulante Leistungen der Pflegeversicherung bewilligte ihm die Beklagte auf der Grundlage eines von ihr eingeholten Gutachtens des MDK Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 1 ab 1. März 2019. Seinen Widerspruch hiergegen wies sie nach Einholung eines weiteren MDK-Gutachtens zurück, weil die Summe der gewichteten Punkte nicht die für die Bewilligung des Pflegegrads 2 erforderliche Punktzahl erreiche.
Das Sozialgericht hat nach Einholung eines fachärztlichen Gutachtens die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. März 2019 Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 2 zu gewähren. Beim Kläger seien von einander abzugrenzende Hilfebedarfe sowohl beim Essen und Trinken im Modul 4 (Selbstversorgung) als auch zusätzlich bei der Einhaltung einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften im Modul 5 (Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen) zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht hat auf die nur von der Beklagten eingelegte Berufung die Entscheidung des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Da der Kläger essen und trinken könne, sei sein Hilfebedarf beim Essen und Trinken allein unter dem Gesichtspunkt des Einhaltens einer durch die Mukoviszidose bedingten Diät im Modul 5 zu berücksichtigen.
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung insbesondere von §§ 14 und 15 SGB XI. Zwischen den Vorgängen des Anhaltens zum Essen und Trinken einerseits und des Einhaltens einer Diät andererseits sei zu differenzieren. Das Anhalten zum Essen und Trinken bei unzureichendem natürlichen Hunger- und Durstgefühl ziele auf die grundsätzliche Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, beim Einhalten einer Diät gehe es um die Einsichtsfähigkeit in deren Beachtung.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Landshut, S 6 P 11/20, 10.12.2021
Bayerisches Landessozialgericht, L 5 P 3/22, 18.04.2023
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Terminbericht
Ausgehend von den unter 4) dargelegten rechtlichen Maßstäben, von denen das Landessozialgericht nicht ausgegangen ist, sind auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen zusammen mit den hier nicht streitigen Punkten beim Kläger 43,75 gewichtete Punkte anzuerkennen, die zum Pflegegrad 2 und dem Anspruch auf Pflegegeld führen.
Nicht anders als bei Kindern mit insulinpflichtigem Diabetes kann auch bei Kindern mit Mukoviszidose nach dem Gesetz wie den Begutachtungs-Richtlinien ein Hilfebedarf im Modul 4 unter Punkt KF 4.4.8 sowie zudem unter KF 4.4.9 neben einem Hilfebedarf im Modul 5 unter KF 4.5.16 berücksichtigt werden, wenn und soweit das Kind gesundheitlich bedingt einer besonderen, nicht mehr altersentsprechenden Aufforderung und Motivation zum sowie Überwachung unmittelbar beim Essen und beim Trinken (auch ohne Hungergefühl oder Appetit und ausreichendes Durstgefühl) bedarf, zumal wenn und soweit das Essen und Trinken krankheitsspezifisch erhöhten Anforderungen unterliegen. KF 4.5.16 betrifft im Kern nicht den unmittelbaren Vorgang der Nahrungsaufnahme, sondern in Abgrenzung zu dieser ist insoweit die Einhaltung von krankheitsbedingten spezifischen Ess- und Trinkvorschriften zu berücksichtigen.
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