Verhandlung B 8 SO 1/24 R
Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - Leistungsbewilligung - Verwaltungsakt - Rücknahme - Aufhebung - Erstattung - Ermessen
Verhandlungstermin
18.12.2024 12:00 Uhr
Terminvorschau
G. K. ./. Die Landrätin des Landkreises Pinneberg
Die Klägerin erhielt von der Beklagten ab Juli 2010 monatlich durch Auszahlung Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt. Den zwischenzeitlich erfolgten Umzug und ihre Heirat teilte sie der Beklagten nicht mit. Im Rahmen einer Überprüfung des Leistungsanspruchs wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass über eine Weitergewährung der Leistungen ab dem 1. April 2011 erst nach Eingang aktueller Unterlagen entschieden werden könne. Die Klägerin äußerte sich nicht. Dennoch überwies die Beklagte auch weiterhin monatlich Leistungen, weil die Sachbearbeitung es versäumt hatte, ein Häkchen in der EDV-Fachanwendung zu entfernen. Nach Kenntniserlangung nahm die Beklagte im Februar 2016 den Bewilligungsbescheid zurück und forderte von der Klägerin eine Rückzahlung in Höhe von rund 15 000 Euro. Die Klage ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht das erstinstanzliche Urteil und den Rückforderungsbescheid der Beklagten insoweit aufgehoben, als dieser die Zahlungen im Zeitraum zwischen dem 1. April 2011 und 30. November 2015 betrifft. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie hätte den behördlichen Fehler als relevanten Belang in die Ermessensabwägung einstellen müssen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie eine Verletzung von §§ 45, 50 SGB X rügt.
Verfahrensgang:
Sozialgericht Itzehoe, S 22 SO 2/17, 08.01.2019
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, L 9 SO 19/19, 13.12.2023
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Terminbericht
Der Senat hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Das Landessozialgericht hat zu Recht angenommen, dass der angegriffene Erstattungsverwaltungsakt hinsichtlich des noch streitigen Zeitraums vom 1. April 2011 bis 30. November 2015 rechtswidrig ist. Zwar hat die Klägerin in diesem Zeitraum Leistungen zu Unrecht erhalten. Die für die Erstattung erforderliche Ermessensausübung erweist sich aber als fehlerhaft. Die Auszahlungen der Leistungen beruhen auf dem Versäumnis, einen Haken in der EDV-Anwendung zu entfernen und auf mangelnden internen Kontrollmechanismen über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren. Dieser grobe behördliche Fehler hätte im Rahmen der Erstattung nach § 50 Absatz 2 in Verbindung mit § 45 SGB X in die Ermessensabwägung eingestellt werden müssen. Dieser Ermessensfehler alleine führt zur Rechtswidrigkeit des Erstattungsverwaltungsaktes.
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